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Ost–Berlin: Knast zum Tag der Menschenrechte

■ Sieben Mitglieder der Initiative Frieden und Menschenrechte weiterhin in Stasi–Gewahrsam / Besondere DDR–Aktion für den UNO–Tag der Menschenrechte: Abgabe einer Menschenrechtserklärung verhindert, um das „sozialitische Zusammenleben nicht zu stören“

Aus Ost–Berlin Karla Trux

Nachdem am Donnerstag, dem UNO–Tag der Menschenrechte, zehn namentlich bekannte Mitglieder der Initiative Frieden und Menschenrechte in Ost–Berlin von der Staatssicherheit festgenommen wurden, sind nach Informationen kirchlicher Kreise mittlerweile drei BürgerechtlerInnen freigelassen worden. Sieben Personen, darunter Wolfgang Templin, Ralf Hirsch, Peter Grimm und Gerd Poppe, befinden sich weiterhin in „Gewahrsam“. Die Initiative, die die unabhängige Zeitschrift „Grenzfall“ herausgibt, steht seit den Aktionen gegen die Umweltbibliothek verstärkt unter ständiger Bewachung. Am Tag der Menschenrechte wollten sich die BürgerechtlerInnen beim DDR–Kommitee für Menschenrechte in der Otto–Grotewohl– Straße treffen und eine Erklärung übereichen, in der sie u.a. auf „Repressionen aufmerksam machen wollten, denen wir ausgesetzt sind.“ Die „Kriminalisierung politisch Andersdenkender, die Verhängung von Landesarrest“, Ordnungsstrafverfahren und die Beschränkung von Berufschancen bis hin zum Berufsverbot widersprächen der internationalen Menschenrechtskonvention, heißt es in der Erklärung. Bereits in den frühen Morgenstunden wurden Mitglieder der Initiative von der Staatssicherheit aufgesucht und „belehrt“, nicht an verbotenen Veranstaltungen teilzunehmen. Unter dem Hinweis, „das sozialistische Zusammenleben nicht zu stören“, erfolgten am Donnerstagnachmittag die Festnahmen. Die Bürgerechtler wurden mit LKW–Transportern in die Haftanstalt Rummelsburg gebracht. Über ihren weiteren Verbleib ist bislang nichts bekannt. Am Donnerstagabend protestierten bei einem Gottesdienst in der Ost–Berliner Gethsemanekirche 500 Menschen gegen die Festnahmen. Der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche, Stolpe, erklärte, die Menschenrechte seien unteilbar. Es wäre besser gewesen, wenn sich das offizielle Menschenrechtskommitee auf einen Meinunsgstreit mit den Vertretern der Initiative eingelassen hätte. Wegen des Ostblock–Gipfeltreffens gebe es aber wohl „Sonderreglements“. Ver treter anderer Gruppen forderten darüber hinaus Rechtssicherheit und entsprechend der Außenpolitik „Schritte der inneren Abrüstung“ in der DDR. Sollte es zu Haftbefehlen kommen, werden die bei den Aktionen gegen die Umweltbibliothek eingerichteten Mahnwachen wieder aufgenommen. Da sich die Stasi–Aktivitäten auf die Menschenrechtsinitiative konzentrierten, gelang es Mitglie dern der Umweltbibliot–hek, ein „offenes Dialogangebot zum Tag der Menschenrechte“ beim DDR– Kommitee für Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit abzugeben. Glasnost in Moskau verboten Als der unabhängige „Presseverein Glasnost“ mit einer internationalen Menschenrechtskonferenz am Donnerstag in Moskau beginnen wollte, sahen sich die Veranstalter von den Behörden blockiert. Schon am 2. September hatte der Presseclub zu dem Seminar aufgerufen, zu dem auch viele ausländische Teilnehmer und Gäste eingeladen waren. Für die verschiedenen Workshops waren Themen zur Abrüstung, zu den sozialen Rechten der Menschen, den Minderheitenproblemen, zur Glaubens– und Redefreiheit, zur Ökologie und zur rechtlichen Sicherung der Menschenrechte geplant. Als schon vor Tagen klar wurde, daß einige ausländische Besucher wie das Bundesvorstandsmitglied der Grünen, Eva Quistorp, und die Bundestagsabgeordnete Petra Kelly keine Einreiseerlaubnis erhielten, zeichnete sich die Behinderung des Seminars schon ab. Erstaunen erregte allerdings der Umstand, daß andererseits die Mitglieder der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ in die UdSSR reisen durften. Die Freundlichkeiten auf dem Gipfeltreffen in Washington haben die Behörden auch in Prag und in Polen nicht davon abgehalten, Veranstaltungen von unabhängigen Menschenrechtsgruppen zu verbieten.

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