Kriegerfreundschaft

■ Staatsmänner schütteln Hände, Soldaten schießen

Nun nennen sie sich also „Ron“ und „Michail“, haben Lieder miteinander gesungen und sich zum Abschied sogar umarmt, wo sie doch nun - quasi rückwirkend - zu „alten Freunden“ geworden sind. Da haben die beiden mächtigsten Staatsmänner dieser Welt uns ein Stückchen Frieden beschert, und das ist gut so - nur sind es die selben Männer, die seit Jahren für einen Krieg gegen die jeweils andere Nation gerüstet haben. Milliarden von Dollars und Rubel, die im eigenen Land oder in der Dritten Welt zur Behebung von Hunger, Armut und ökologischer Ausbeutung dringend nötig gewesen wären, sind jahrzehntelang mit dem Votum dieser Männer in die Rüstungshaushalte geflossen und sie werden auf deren Geheiß auch weiter fließen. Auch nach dem Gipfel werden die Soldaten der Roten Armee für einen Krieg gegen den „Hauptkriegstreiber“, die USA, ausgebildet werden und in den Trainingsbüchern der GIs wird auch weiterhin der Feind als ein zur Fratze verkommener Kommunist erscheinen. Diese Art der Kriegsvorbereitung und -bereitschaft ist seit Jahrhunderten Bestandteil männlichen Denkens und einer von Männern bestimmten Welt. Und zur Perversion dieses Denkens gehört auch, daß sich die Kriege befehlenden Staatsmänner in ihren grauen oder blauen Anzügen die Hände schütteln, während ihre Untergebenen in Uniformen im Konfliktfall erschossen würden, wenn sie dasselbe täten. Oben, wo mann sich kennt, trinkt man Brüderschaft - unten aber, wo mann sich nie gesehen, geschweige denn gestritten hat, lernt man aufeinander schießen. Vera Gaserow