: D O K U M E N T A T I O N „Ich habe nicht geschossen“
■ Erklärung von Andreas Eichler zu den Beschuldigungen im Haftbefehl des BGH vom 4.November 1987
Mir wird vorgeworfen, am 02. 11. 1987 durch vier selbständige Handlungen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zwei Polizeibeamte getötet und versucht zu haben, zwei weitere Polizeibeamte zu töten. Als Beschuldigter schwerster Verbrechen und in dem Bewußtsein, daß die Bundesanwaltschaft alles daran setzen wird, meine Täterschaft oder Beteiligung an der Tat nachzuweisen, um den raschen „Fahndungserfolg“ auch zu untermauern, habe ich mich dazu entschlossen, aus nachfolgenden Gründen diese Erklärung abzugeben: 1. Die gegen mich erhobenen Vorwürfe treffen nicht zu. Ich habe nicht mit der bei mir gefundenen Waffe auf Polizisten geschossen und bin an der Tat auch nicht beteiligt. 2. Ich verurteile die jetzt mir vorgeworfene Tat, und ein derartiges Vorgehen hat und hätte nie meine Billigung gefunden. Daß ein toter Polizist politisch der Bewegung nur schadet, ist meine Ansicht. Die politischen Folgen sind nicht nur bei als reaktionär zu bezeichnenden Politikern bereits erkennbar, sondern auch noch nicht im vollen Umfang absehbar. Ich konnte aus den genannten Gründen eine Einlassung zu dem konkreten Tatvorwurf des Mordes nicht aus Kameradschaft umgehen. 3. Ich bin Vater geworden und hatte deshalb meine Entscheidung auch aus Verantwortung für meine Verlobte und unser Kind getroffen. 4. Ich versuche, mit meiner Klarstellung der Bewegung und der Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung sowie allen zu helfen, die wegen der Vorfälle am 02. 11. 1987 verfolgt werden und erwarte die notwendige Solidarität untereinander und mir gegenüber. Spätestens seit dem Tode von Günther Sare wissen wir alle, was es bedeutet, wenn es Tote bei einer Demonstration gibt. Unsere Wut darüber und gegenüber der Polizei war und ist deshalb groß. Auch in der Trauer um Günther Sare waren sich alle einig, daß es gerade darum keine Toten mehr geben darf, egal auf welcher Seite; denn die Folgen (für uns) konnte sich jeder ausmalen: staatliche Repression, noch mehr Polizei, noch mehr Bespitzelung, Einschränkung jeder kritischen Meinung. Mit den toten Polizeibeamten an der Startbahn West hat der Staat dafür einen Freibrief bekommen. Dies gilt auch für den Versuch der Anwendung des Paragraph 129a StGB. Sicher müssen wir uns als Startbahngegner Klarheit darüber verschaffen, inwieweit uns für die tragischen Vorfälle (politische) Verantwortung trifft. Andererseits betone ich aber, daß es ohne den Bau der Startbahn 18–West und die permanente umweltzerstörerische Erweiterung des Rhein–Main–Flughafens diese Folgen nicht gäbe. Ich sehe deshalb die letztlich politisch Verantwortlichen für das Geschehen in der Landesregierung und in den Vorstandsetagen der FAG. Zudem bin ich sicher, daß nie ein Startbahngegner in irgendeiner Form zu erkennen gegeben hat, den Tod eines Polizisten in Kauf zu nehmen oder diesen gar zu planen; denn wir alle wußten, daß dies für uns neue Repressionen an der Startbahn und anderswo zur Folge gehabt hätte. Meine Solidarität gilt deshalb der Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung und der Bewegung gegen jegliche Umweltzerstörung. Laßt Euch nicht unterkriegen und bleibt solidarisch! Alle, die mich kennen, wissen, daß ich weder ein „Verräter“ bin noch versuchen werde, einen Schuldvorwurf unbegründet „abzuwälzen“. Namen von Entlastungszeugen werde ich dann nennen, wenn diese sich selbst über die notwendige Solidarität mit mir Klarheit verschafft haben und ihre Bedenken gegen mögliche eigene Strafverfolgung zurückstellen. Andreas Eichler (über den Verteidiger)
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