OPEC will Golfkrieg drosseln, nicht beenden

■ Kartell vertagt zentrale Entscheidungen / Kriegsgegner Iran und Irak werden sich auch künftig nicht an Absprachen halten

Aus Manama William Hart

„Ich glaube, dies ist das beste Abkommen, das wir unter den gegenwärtigen politischen Umständen in der OPEC erreichen konnten. Wir haben unser bestes gegeben.“ Venezuelas Ölminister Grisanti machte keinen Hehl daraus, daß derzeit nicht der Öl–Weltmarkt, sondern der Golfkrieg und dessen Auswirkungen die Entscheidungen des ersten Rohstoffkartells von Dritt–Welt–Ländern prägt. Irak ist bereits faktisch aus der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ausgestiegen. Exportiert wird, was die Pipelines verkraften und tausende von Tanklastwagen fassen können. Trotz der Blockade des Golfes durch Kriegsgegner Iran, trotz der Sperrung der wichtigen Pipeline durch Syrien hat Irak bereits wieder seinen Vorkriegsexportstand erreicht. Knapp drei Millionen Barrel (159 Liter) werden täglich auf den Weltmarkt gepumpt, doppelt so viel, wie in der OPEC–Quote vorgesehen. So war das Treffen der OPEC–Minister in den vergangenen Tagen für Irak auch ein großer Triumpf. Das Land wurde nicht einmal gerügt. Der Minister darf zur nächsten Sitzung am 8. Juni 1988 wiederkommen, und, was noch viel wichtiger ist, die alte Quote von 1,54 Millionen Barrel wird nicht mehr erwähnt. Faktisch wird Iraks hoher Export damit gebilligt. Die Gegenleistung: Kriegsgegner Iran wird durch systematische Luftangriffe daran gehindert, die Quote von 2,3 Millionen Barrel zu erreichen oder gar zu übertreffen. Dabei werden Ölfelder, Raffinerien,Verladehäfen und Shuttle–Tanker sehr dosiert angegriffen. Ziel ist nicht, den Ex port völlig zu stoppen, sondern Iran langfristig die Manövrierfähigkeit auf dem Ölmarkt zu rauben. Saudi–Arabien verfügt über die Möglichkeit, die Deviseneinnahmen der Islamischen Republik entscheidend zu beeinflussen. Die Zeiten saudisch–iranischer Kooperation sind dabei erst einmal vorbei. Noch bei der OPEC– Sitzung des vergangenen Jahres hatten die Vertreter des Ayatollahs und des Königs gemeinsam den Kompromißplan erarbeitet. Die radikale Drosselung der Förderung bildete die Rückkehr zur traditionellen Politik des Kartells: Mengen– und Preisdisziplin. Te heran profitierte von der Verdoppelung der Preise von neun auf 18 Dollar am meisten, da es auch schon vor einem Jahr wegen der irakischen Luftangriffe nicht einmal zwei Millionen Barrel exportieren konnte. Aber die Mullahs zeigten sich nicht dankbar. Am 31. Juli schickten sie ihre Pilger in Mekka in den Kampf mit der saudischen Polizei. Dieser Zwischenfall wird in der OPEC noch Jahre Auswirkungen haben. Saudi–Arabien dürfte genau aufpassen, daß Teheran nicht zu viele Petrodollar erhält. Und in diesem Feld sind die Saudis Meister. Denn während für die Islami sche Republik der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, setzt das ölreichste Land der Welt seine Ziele mit wirtschaftlichem und finanziellem Druck durch. Die Überzeugung des stellvertretenden iranischen Ölministers, die OPEC könne Öl von Politik trennen, basiert auf einer Fehleinschätzung der Saudis, da diese ja ein völlig anderes Ziel haben. Saudiarabien hat in den vergangenen Monaten weitgehend darauf verzichtet, als Puffer für die anderen OPEC–Staaten zu dienen. In der ersten Hälfte der achtziger Jahre hatten die Saudis ihre Ex porte immer wieder reduziert, wenn der OPEC–Preis bröckelte. Bis auf weiteres wird das Land hierzu nicht mehr bereit sein. So kann man davon ausgehen, daß die OPEC–Staaten auch künftig ihre Quote überschreiten und Preisnachlässe auf den offiziellen Preis von 18 Dollar einräumen werden. Gerade die arabischen Golfstaaten werden sich nicht an ihre Quote halten. Dies ist nicht ein Ausdruck von Undiszipliniertheit oder dem Hang, Extraeinnahmen verbuchen zu können. Der Golfkrieg ist nach wie vor eine Bedrohung für die Exporte Kuwaits, Qatars und der Vereinigten Arabischen Emirate. Denn neben Iran sind vor allem diese Staaten auf die Tankerpassage durch die Straße von Hormuz angewiesen. Solange der Krieg eine Bedrohung für die Schiffahrt im Golf ist, werden diese Länder versuchen, mehr zu verkaufen, um sich Rücklagen verschaffen zu können. Dies passiert offen oder verdeckt. Kuwait übertrifft nicht nur seine Quote, sondern verkauft auch raffinierte Ölprodukte, die nicht unter die OPEC–Absprache fallen, die letztlich jedoch verkappte Ölexporte sind. Während diese Golfstaaten sich bei den Preisen nicht so nachgiebig zeigen, sind Iran und Irak derzeit die Hauptpreisbrecher auf dem Weltmarkt. Dabei ist selbst Iran mit der relativ kleinen Exportmenge von derzeit knapp zwei Millionen Barrel am anfälligsten, da das Land nur wenige langfristige Verträge hat. In der Vergangenheit versuchte die iranische Erdölgesellschaft NIOC ihr Öl auf den Spotmärkten zu verkaufen, wenn die Preise über der von der OPEC festgelegten Höhe lagen. Deshalb war des Land vom Zusammenbruch des Preises 1985/86 auch am stärksten betroffen. Ähnlich ist es heute. Iran ist gezwungen, die größte Menge seines Öles auf dem Spotmarkt abzusetzen und kann derzeit nicht einmal 17 Dollar erzielen. Und da Irak diesen Markt seit dem Sommer geradezu überschwemmt, dürfte er bei den großen weltweiten Vorräten bis auf weiteres nachgeben. Der Zwang des Irak und Irans, zu jedem Preis zu verkaufen wird auch im Friedensfall anhalten. Denn während die anderen Ölstaaten der Region ihre Staatsausgaben den geringeren Verkaufspreisen und -mengen angepaßt haben, besteht in den beiden Staaten nach sieben Jahren Krieg ein gewaltiger Nachholbedarf. Sowohl Iran als auch Irak werden auf Jahre versuchen, ihre Exporte um nahezu jeden Preis zu erhöhen. Im Falle Irans werden die Steigerungen nur langsam wirksam werden, da die gesamte Ölindustrie schwer beschädigt ist. Im Falle Iraks ist eine Steigerung auf etwa fünf Millionen Barrel bereits in anderthalb Jahren möglich. Aber für diesen Fall brauchte Bagdad die Zustimmung Saudi–Arabiens, da knapp zwei Millionen durch saudisches Gebiet gepumpt werden müssen. Und diese Zustimmung kann nicht als gesichert gelten. Denn schon im vergangenen Jahr hatten die Saudis eine irakische Pipeline für mehrere Monate abgestellt. Aber auch saudischer Druck wird die Schwemme iranischen und irakischen Öles auf dem Weltmarkt im Friedensfalle nicht unterbinden können. Dies ist auch ein Indiz, warum die arabischen Ölstaaten zwar gegen die Ausweitung des Krieges, aber eben nicht entschieden für die Beendigung desselben sind.