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Stoltenberg: Tut mir leid - Ehrenwort

■ Nach drei Monaten ringt sich der Kieler CDU–Chef Stoltenberg zu einer lauwarmen Entschuldigung für die Taten Barschels durch / Nur Stoltenberg selbst will überhaupt nichts gewußt haben / SPD fordert Rücktritt des unschuldigen Kühlen aus dem unklaren Norden

Aus Kiel Henrich Fenner

Ein minimales Schuldbekenntnis hat der CDU–Landesvorsitzende, Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg, einen Tag nach dem Abschluß der Beweisaufnahme vor dem Kieler Untersuchungsausschuß für „das Fehlverhalten eines Ministerpräsidenten unserer Partei“ abgegeben. Wiederholt hatte sich Stoltenberg in den letzten Monaten dieser Forderung, auch aus der eigenen Partei, verweigert. Nun - drei Monate nach dem Bekanntwerden der Af färe - kommt auch er nicht mehr an der „schmerzlichen Erkenntnis“ vorbei, daß Barschel in seiner theatralischen Ehrenwort–Pressekonferenz die „Unwahrheit“ gesagt hat. Mit einem einzigen Satz während der gesamten Pressekonferenz brachte er es fertig, sich beim SPD–Oppositionsführer Engholm als Opfer der Affäre und bei Barschels untergebenen Mitarbeitern, Sekretärinnen und Fahrern, die wochenlang für ihn logen, gleichermaßen zu entschuldigen. „Typisch Stoltenberg“, beurteilten einige Journali sten seinen gestrigen Auftritt, der neben einer halbherzigen Entschuldigung die bewährte Mischung aus Ablenken, Herunterspielen und Attacken enthielt. So spricht er seine Nord–Christdemokraten von den „haltlosen Verdächtigungen“ der Mitschuld frei: „Wir sind mitbetroffen, weil wir Barschels Fehlverhalten aufzuarbeiten haben.“ Herunterspielend bedauert er „einige Fehler im letzten Wahlkampf“. Die produktive Zusammenarbeit zwischen Regierungspressestelle und CDU–Landesverband bei der Er stellung von Wahlkampfzeitungen und Broschüren nannte Stoltenberg nebulös „Grenzüberschreitungen“, um anschließend zu betonen: „Wir haben aber nie in Schleswig–Holstein den Staat als Beute der Partei verstanden.“ Als könne er mit einem Satz die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses vergessen machen. Und sein Schimpfwort von der „linken Kampfpresse“? Das hat weiter Bestand, geirrt hat sich Stoltenberg nur in der Person Barschels. Fortsetzung auf Seite 2 Die SPD sprach von einer „nur halbherzigen Entschuldigung“ Stoltenbergs, die viel zu spät komme. Viel schlimmer sei, daß Stoltenberg immer noch nicht das Ausmaß des Skandals für die Demokratie begriffen habe, sagte Parteisprecher Rainer Burchhardt in Bonn. Stoltenberg habe durch sein Eingeständnis, daß es im Wahlkampf bei der CDU „Grenzüberschreitungen“ gegeben habe, eingeräumt, daß er seine Partei nicht im Griff habe. Sein Rücktritt als Landesvorsitzender sei überfällig. Der schleswig–holsteinische SPD–Chef Gerd Walter meinte, die CDU sei von einem politischen Neuanfang weit entfernt. Der Untersuchungsausschuß des schleswig–holsteinischen Landtags zur Klärung der Barschel–Affäre wird nach den Worten seines Vorsitzenden Klingner voraussichtlich einen von allen Parteien getragenen Bericht abgeben. Lediglich zu einzelnen Fragen werde es möglicherweise unterschiedliche Ansichten geben.

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