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Zehn Monate für Radikal–Verkauf

■ Undurchsichtige Indizienkette reicht Düsseldorfer Oberlandesgericht für drakonisches Urteil

Aus Bonn Oliver Tolmein

Zu zehn Monaten Haft und 1.000 Mark Geldbuße wegen Unterstützung der „terroristischen Vereinigungen RAF und RZ“ durch Verkauf der Radikal 132 ist am Montag abend ein angebliches Mitglied des Detmolder Buchladenkollektivs „Distel“ vom 5. Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf verurteilt. Die Haftstrafe wurde, wie der Vorsitzende Richter der Staatsschutzkammer, Arend, in der mündlichen Urteilsbegründung mitteilte, trotz erheblicher Bedenken auf Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwältin, während deren Plädoyer der Zuschauerraum wegen des Zwischenrufes „das letzte Wort fällt nicht im Gericht“ geräumt wurde, hatte sogar eine Bewährungsfrist von fünf Jahren beantragt. Das Urteil ist das dritte in einem Radikal–Verfahren und die bisher höchste Strafe gegen einen Buchhändler wegen angeblichen Verkaufs der Zeitschrift. Verurteilt wurde bisher ein Bonner Buchhändler und ein Hanauer Handverkäufer. Das angebliche Mitglied des Ladenkollektivs „Distel“ - die Staatsanwaltschaft konnte noch nicht einmal beweisen, daß er tatsächlich Kollektivmitglied ist - will in Revision gehen. Der Obmann der Grünen im Innenausschuß des Bundestages, Wüppesahl, kritisierte das Urteil als „Düsseldorfer Landrecht“. Außerdem richtete er gestern eine kleine Anfrage an die Bundesregierung, um den bundesweiten Stand der Ermittlungen zu erfahren. Während der zweitägigen Verhandlung war es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen dem Detmolder Buchhändler eindeutig nachzuweisen, daß er den Inhalt der Radikal 132 kannte oder diese tatsächlich selbst verkauft hat. Der wegen seiner hohen Urteile bekannte 5. Senat urteilte deshalb aufgrund von Indizien. Aus der Tatsache, daß von 20 laut Paketquittung gelieferten RadiFortsetzung auf Seite 2 Zur Diskussion um die Verschärfung von Gesetzen zur Inneren Sicherheit Tagesthema auf Seite 3 Hintergrund–Seite 10 kal 132 bei einer Durchsuchung am 31.Juli 1986 vier gefunden wurden, schloß das Gericht, daß die „Distel“ die Radikal verkauft habe. Das Buchladenkollektiv behauptet dagegen, die durchsuchenden Polizisten hätten die vier Radikal–Exemplare selbst mitgebracht und plaziert. Da ein als Probekäufer in den Laden geschickter Zivilpolizist bei der Verhandlung den Angeklagten nicht mehr als den Verkäufer der Radikal identifizieren konnte, griff das Gericht auf Zeugen aus einem anderen 129a–Prozeß, der gegen den Angeklagten lief, zurück: Ein Beamter des Landeskriminalamtes, der am 13.Januar 1987 eine Hausdurchsuchung bei diesem durchgeführt hatte, sagte aus, der Angeklagte habe ihm gegenüber geäußert, er hätte jeden Morgen in der „Distel“ Ladendienst. Daraus folgerte das Gericht, daß der Beklagte grundsätzlich im Laden anzutreffen sei. Ob er an dem Tag des angeblichen Probekaufs tatsächlich anwesend war, spielte dann keine Rolle mehr. Daß er Kenntnis vom Inhalt der Radikal gehabt habe und sich bewußt gewesen sei, daß dieser strafbar ist, schloß das Gericht aus der Tatsache, daß das LKA während der Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten alte Radikal und andere linke Zeitungen gefunden habe. Der Verteidiger des Angeklagten hatte daher Freispruch beantragt: Da der Angeklagte nicht als Verkäufer einer Radikal identifiziert worden sei, liefe eine Verurteilung auf eine Art Kollektivschuld hinaus. Weitere Verfahren gegen Buchhändler wegen angeblichen Radikal–Verkaufs werden nach Informationen der taz demnächst in Hamburg, Frankfurt, Nürtingen und Stuttgart laufen.

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