Minister Töpfer: Allein gegen die Mafia

■ Transnuklear wurde vom Umweltminister jeder weitere Transport von Atommüll verboten / Statt deutschem Atommüll wurde Plutonium in die BRD gebracht

Von Reinhard Mohr

Frankfurt (taz) - Nach Bekanntwerden des neuesten Skandals um die Hanauer Firma Transnuklear hat Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) dem Unternehmen bis zur Auf klärung des Sachverhalts jeden weiteren Transport von Atommüll untersagt. Die Zuverlässigkeit der Firma, wie in Paragraph 4 des Atomgesetzes gefordert, sei nicht mehr gewährleistet. Gestern hatte sich die Mitteilung der Firma Transnuklear vom Mittwoch bestätigt: In den Schmiergeldskandal verwickelte und inzwischen entlassene Mitarbeiter haben im Zeitraum von 1982 bis 1984 mehr als 300 Fässer mit radioaktiven Abfällen unter falscher Frachtdeklaration aus einer nuklearen „Konditionierungsanlage“ im belgischen Mol in die Bundesrepublik zurücktransportiert . Doch statt des verfestigten Atommülls aus bundesdeutschen AKWs wurden belgische Abfälle mit insgesamt 200 Milligramm Plutonium zur Zwischenlagerung an bundesdeutsche Atomkraftwerke zurückgeliefert. Das darin enthaltene Plutonium stammt nicht aus der BRD, sondern aus dem belgischen Reaktor BR–3 in Mol, wie ein Sprecher des Energieministeriums in Brüssel gestern mitteilte. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Die Vertauschung der Fässer, die nur die Aufschrift Transnuklear tragen, hat zu hektischen Aktivitäten geführt. „Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt in Hanau, Farwick, gegenüber der taz. Es handele sich um 321 Fässer mit schwach– und mittelaktivem Atommüll. Nach Informationen der niedersächsischen Grünen, die von der Atomaufsichtsbehörde des Umweltministeriums in Hannover bestätigt wurden, befinden sich 222 der 321 Fässer im „Faßlager Gorleben“. Die restlichen Fässer lagern in den Atomkraftwerken Esensham und Würgassen. Auf Anfrage der taz sagte ein Sprecher der Betrei berfirma „Preussen Elektra“, man habe sich auf die Kontrollen und die Richtigkeit der Frachtpapiere von Transnuklear verlassen und sei nun „entsetzt“ darüber, daß radioaktiver Müll, „der gar nicht uns ist“, auf PREAG–Gelände lagere. Schlimm sei auch, daß der Schmiergeldskandal, bei dem Transnuklear–Mitarbeiter hohe Bestechungssummen unter anderem an für Atommülltransporte verantwortliche PREAG–Angestellte gezahlt hatten, nun doch „sicherheitstechnische Belange“ berührt, was zuvor nicht für möglich gehalten wurde. Die PREAG hat in diesem Zusammenhang 19 Mitarbeiter entlassen. Auch wenn die Strahlenbelastung der „falschen Fässer“ insgesamt nicht höher als die der „richtigen“ sei, werde die PREAG ab sofort alle notwendigen Eingangskontrollen selbst durchführen. Daß die Bestechungsaffäre noch weit größere Ausmaße annehmen kann, zeigen Äußerungen aus dem belgischen Energieministerium,daß sich Vermutungen von Anfang November bestätigt hätten, wonach Mitarbeiter der Abteilung Abfallaufbereitung des Forschungszentrums Mol offenbar ebenfalls von Transnuklear bestochen wurden. Sie werden dafür bezahlt, „nicht mehr aufzubereitende Abfälle“ anzunehmen. Diese Abfälle seien hochradioaktiv gewesen und hätten nicht den Vorschriften entsprochen. Die belgischen Behörden haben schon Mitte Oktober Untersuchungen mit dem Verdacht begründet, das Kernkraftzentrum Mol könnte in den Schmiergeldskandal Transnuklear verwickelt sein. Als einen „unglaublichenn Skandal“ hat der hessische Umweltminister Weimar(CDU) die Vorgänge bezeichnet. Er forderte eine „lückenlose Aufklärung“. Die Lager der Firma Transnuklear würden jetzt „im einzelnen erneut untersucht“ werden. Weimar forderte alle der Atomaufsicht unterliegenden Firmen in Hessen auf, keine neuen Verträge mit Transnuklear mehr abzuschließen, die ein Tochterunternehmen der einschlägig bekannten Atomfirma NUKEM ist. Die Grünen im Hessischen Landtag sehen in den Ereignissen nur die „Spitze eines Eisbergs“ von Bestechlichkeit und Korruption im Windschatten politischer Begünstigung und stellen die Frage, ob von Mitarbeitern der Firma Transnuklear möglicherweise auch „anderes radioaktiv strahlendes Material, etwa proliferationsfähiges Plutonium unter Verstoß gegen bestehende Vorschriften beiseite geschafft“ wurde.