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Ein doppelter Feiertag, doch kein Grund zum Feiern

■ Südafrika am 16. Dezember: Für die Buren ist es der Tag ihres Sieges über die Zulus, für die schwarze Bevölkerungsmehrheit ein Tag der Trauer / Am Burenheiligtum wird jedes Jahr die Überlegenheit der weißen Rasse zelebriert / Die Theologie des Blut und Bodens wurde aus Nazi–Deutschland importiert

Aus Pretoria Hans Brandt

Es ist wie ein Wunder. Jedes Jahr am 16. Dezember um Punkt 12 Uhr dringt ein Sonnenstrahl durch das kleine Loch in der Kuppel des Voortrekkermonuments bei Pretoria. Das Licht huscht 40 Meter in die Tiefe und erleuchtet die Inschrift auf dem Granitquader, der im Keller des Burenheiligtums ruht. „Wir für Dich, Südafrika“ steht da geschrieben. Natürlich ist es kein Wunder. Immerhin ist dies das „Licht der Zivilisation“, das die Buren, die „Voortrekker“, ins dunkle Afrika gebracht haben. Das Wunder beruht auf genauen Berechnungen, die für die „barbarische“ Urbevölkerung des Landes unmöglich waren. Jedes Jahr erleuchtet hier für die Buren der Beweis, daß Weiße den Schwarzen überlegen sind. Der 16. Dezember ist der „Tag des Gelöbnisses“, der feierlichste Tag der Buren. 1838 hatten 500 Buren ihrem Gott versprochen, daß sie den Tag in alle Ewigkeit wie einen Sonntag feiern würden, wenn er ihnen den Sieg über eine Übermacht von mehr als 10.000 Zulus geben würde. Der liebe Gott ließ sich offenbar auf das Geschäft ein. Zivilisation siegte über Barbarei: Die Gewehre der Buren waren den Speeren der Zulus weit überlegen. Das Wasser des Flusses, an dessen Ufern die Schlacht geschlagen wurde, floß rot mit dem Blut von Tausenden von toten Zulus. Drei Buren wurden in der „Schlacht am Blutfluß“ leicht verletzt. Am 16. Dezember 1987 stehen dicke Regenwolken am Himmel. Das „Licht der Zivilisation“ fällt heute etwas schummrig aus. Den noch haben sich hunderte von Buren zum Gelöbnisgottesdienst im zivilisiert symmetrischen „Heldensaal“ des Monuments versammelt: kleine Mädchen in der Burentracht des vergangenen Jahrhunderts, alte Männer, die strammstehend patriotische Lieder singen. „Wo eine christliche Nation lebt, mutig, edel, stark, dort ist mein Vaterland Südafrika“, hallt es im Saal. Das Monument macht deutlich, wessen Vaterland hier gemeint ist. An den vier Wänden des Saales zeigt ein Marmorrelief Szenen aus der burischen Geschichte. Es ist ein einziges Gemetzel. Verräterische Zulus ermorden unschuldige Burenfrauen und -kinder. Heldenhafte bärtige Männer treiben eine Übermacht von Schwarzen in die Flucht, um endlich ihre eigenen christlichen, zivilisierten Burenrepubliken zu gründen. Allerdings konnten die Republiken des letzten Jahrhunderts sich nicht lange gegen das wachsende britische Empire behaupten. Erst 1961 konnten die Buren endgültig ihre unabhängige Republik Südafrika gründen. Die Erben des Dritten Reiches Für Staatspräsident Pieter W. Botha und seine regierende Nationale Partei (NP) bleibt Südafrika nach wie vor das Land der Weißen, vor allem der Buren. Auch die „Reformen“ der Apartheid, die Botha in den letzten Jahren durchgeführt hat, sind darauf angelegt, die Vorherrschaft der Weißen zu garantieren. Das zeigt sich am Gelöbnistag. Das staatliche Fernsehen überträgt die Burenfeier live. Musikalisch sorgen die „Kana rienvögel“, der Chor der südafrikanischen Luftwaffe, für gehoben–andächtige Stimmung. „Ach, solch prächtige Jungens“, seufzt die alte Dame mit dem lilafarbenen Haar ne– ben mir. Nicht alle Buren sind jedoch davon überzeugt, daß diese Republik wirklich noch für Buren oder zumindest für Weiße reserviert ist. Prominent unter den Zuschauern sind die khakifarbenen Uniformen der neofaschistischen „Burischen Widerstandsbewegung“ (AWB) zu sehen. Für sie wird hier nicht deutlich genug gesagt, daß Südafrika den Weißen gehört. „Wir protestieren gegen die linksgerichtete Schändung der heiligen Burenstätte“, sagt einer der AWB– Männer mit dem dreizackigen Hakenkreuz an der Brust. Botha mit seiner Reformpolitik sei ein Verräter des Burenvolkes. Die AWB–Leute wollen die „reine burische Politik“ wieder zurückgewinnen, die 1938 die Grundsteinlegung für das „heilige“ Voortrekkermonument zu einem Fest der burischen Selbstbehauptung machte. Damals entwickelten die Buren erstmals eine deutliche ideologische Grundlage für ihre Politik. Zahlreiche führende Buren waren Anfang der dreißiger Jahre zum Studium nach Deutschland gereist. Das galt besonders auch für Theologen. „Die Theologie von Blut und Boden und der Reinheit des Blutes der Nation wurde von Kirchenführern hierher übertragen“, sagt Professor Johan Heyns, Leiter der Niederländisch–Reformierten Kirche, der größten burischen Kirche. Die Buren hatten Angst, so Heyns, daß sie im „Treibsand des Afrikablutes“ verschwinden würden. Die Nazis waren sich während des Zweiten Weltkrieges bewußt, daß sie in den Buren treue Verbündete hatten. Sie richteten einen Propagandasender ein, der in Afrikaans nach Südafrika ausstrahlte. Außerdem schickten sie den südafrikanischen Boxer Robbey Leibbrandt, der sich der Wehrmacht angeschlossen hatte, nach Südafrika, um sich an Sabotageaktionen gegen das südafrikanische Militär zu beteiligen. Leibbrandt war wenig erfolgreich, doch der Einfluß der Nazis bleibt bis heute bestehen. Altnazis dürfen sich in Südafrika wohl fühlen. Einer von ihnen taucht regelmäßig bei AWB–Veranstaltungen auf. Er lobt AWB–Führer Eugene Terreblanche als einen „ausgesprochenen Volksführer, wie wir es seinerzeit im Dritten Reich hatten, unsern Führer Adolf Hitler“. Unter dem Einfluß der Nazi– Ideologie von Volks– und Rassenreinheit entstand jene Politik der „Apartheid“, die den Buren 1948 den Wahlsieg bescherte. Seitdem haben sie die Macht nie wieder aufgegeben.

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