Orientierungslos

■ Zur Vergesellschaftung der Stahlindustrie

Der Ruf nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie ist so alt wie die Republik. So wie Franz Steinkühler in Rheinhausen, so haben vor ihm Hunderte von Gewerkschaftsrednern die Dringlichkeit beschworen. Aber kaum daß die ökonomischen Daten nach oben zeigten, war alles vergessen. Wirklich um die Durchsetzung gerungen hat der IGM–Vorstand nie. Genau an diesem Punkt setzt die neue Initiative, über ein Volksbegehren papierene Beschlüsse praktisch werden zu lassen, an. Wer Ja brüllt, aber Nein meint, muß sie fürchten. Und das ist gut so, denn zunächst geht es um den Stil der Debatte, die von den Pharisäern aller Schattierungen erstickt wird. Über die Sinnhaftigkeit der Forderung nach Vergesellschaftung ist damit noch nichts gesagt. Eine Stahlindustrie in Gemeineigentum verkauft keine Tonne mehr. Das ist so banal wie wahr. Aber wahr ist auch, daß der Konkurrenzkampf unter den bundesdeutschen Stahlkonzernen inzwischen eine chaotische Situation geschaffen hat, die jede halbwegs akzeptable Lösung unmöglich macht. Eine Maßnahme, die sich betriebswirtschaftlich rechnet, ist volkswirtschaftlich eben noch lange nicht optimal. Krupp in Rheinhausen könnte - gäbe etwa der Branchenführer Thyssen etwas von der Produktion ab - leicht schwarze Zahlen schreiben, ohne daß auch nur annähernd so viel Arbeitsplätze vernichtet würden wie bei dem jetzigen Konzept. Um so etwas durchzusetzten, bedarf es der Verfügungsgewalt. Die neue Initiative ist ein praktischer Schritt, sie zu erlangen. Zumindest der Druck auf die jetzigen Kapitalbesitzer, nach für die Belegschaften besseren Lösungen zu suchen, dürfte dadurch steigen. Allein dieser Effekt würde den Aufwand lohnen. Walter Jakobs