K O M M E N T A R Generalverdacht

■ Bundesanwaltschaft veranlaßt Durchsuchungswelle

Die neue Durchsuchungswelle hat auf den ersten Blick mit den Fahndungsmaßnahmen im Umfeld der Startbahn–Schüsse nichts zu tun. Auf den zweiten Blick allerdings fallen Parallelen auf: Hier wie dort hat sich die Bundesanwaltschaft bislang hartnäckig geweigert, in aller Öffentlichkeit ihr Vorgehen mit konkreten Verdachtsmomenten gegen Einzelne zu begründen. Operiert wird mit einem Generalverdacht: Die RZ sind überall. Und daraus folgt eine Generalermächtigung: Ihre Verfolgung rechtfertigt jeden Staatsschutzübergriff. Bei der Großfahndung im Rhein–Main–Gebiet ist dieses Kalkül aufgegangen. Daß die Polizistenmorde offensichtli den Zensurversuch gegen das „Info“–Buch des Malik–Verlages im Oktober noch erfolgreich mobilgemacht hat, ist seitdem verstummt. Schon in besseren Zeiten haben Militante, Grüne und Gewaltfreie mehr neben– als miteinander agiert - in der Krise jetzt ist die Opposition, das wird von Woche zu Woche offensichtlicher, vollends auseinandergebrochen. Die Bundesanwaltschaft profitiert davon. Solange sich ihrem Versuch, die politische Opposition mit den neuen juristischen Instrumentarien lahmzulegen, keine Öffentlichkeit widersetzt, werden immer neue Durchsuchungswellen durchs Land schwappen nach dem Motto: Schaden kann es nicht, und vielleicht läßt sich dabei sogar etwas finden, was zu einer Verurteilung reicht. Diesen Herbst fallen die Blätter weniger spektakulär als vor zehn Jahren - aber die Bäume stehen am Ende genauso kahl da. Oliver Tolmein