Rebmanns schöne Bescherung

■ Im Zusammenhang mit einer Großaktion des BKA wurden Redaktionsräume der taz durchsucht

Die Zentralredaktion der taz in Berlin rüstete zum freitäglichen Feierabend als die Meldungen kamen: Bewaffnete Polizeibeamte brechen in die Bochumer Redaktionsräume ein, die Hamburger Lokalredaktion wurde durchsucht und die Arbeit der Mitarbeiter behindert. Von dem später bekannt gewordenen Großeinsatz des BKA, angeblich auf der Suche nach Mitgliedern der Roten Zellen und der Roten Zora, wußte zu diesem Zeitpunkt noch niemand etwas. Gründe für die Durchsuchung wurden der taz auf Anfrage nur vagemitgeteilt.

Das Telefon im Düsseldorfer taz– Büro klingelte am vergangenen Freitag gegen 17 Uhr 45. „An der Tür des Bochumer taz–Büros machen sich mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten zu schaffen. Die brechen die auf“, berichtet ein Freund, der zufällig den Tatort passierte. So wurde gleich zu Beginn - „zur Unzeit“, wie die Bundesanwaltschaft später verbreitet - eine Aktion bekannt, die hier wie an 32 weiteren Orten eigentlich ohne jedes öffentliche Aufsehen abgewickelt werden sollte. Das Bochumer Polizeipräsidium, verantwortlich für die Bereitstellung der uniformierten Polizei, stellte sich dumm: „Hier ist nichts bekannt. Wir rufen zurück.“ Diese Art von Zeitschinderei schien dem Sprecher der Bundesanwaltschaft, A. Prechtel, wohl doch zu billig. „Ja“, hieß es ein paar Minuten später, da „gibt es einen Durchsuchungsbefehl, aber der richtet sich nicht gegen die taz, sondern nur gegen eine Mitarbeiterin der Zeitung.“ Deren Schreibtisch wolle man durchsuchen. Warum? „Mehr kann ich nicht sagen.“ Bei einem Anruf in der Wohngemeinschaft der Kollegin meldete sich eine unbekannte Stimme. „Wer bist Du?.“ „Eine Freundin, die anderen sind nicht da.“ „Sag ihnen, das Bochumer taz–Büro werde durchsucht. Bei euch werden sie auch gleich sein.“ „Oh danke, ich sags weiter.“ Auch bei einem späteren Anruf ist keine der Bewohnerinnen da. Die freundliche Stimme: „Ich sags, so bald sie kommen.“ Eineinhalb Stunden später im Bochumer taz– büro fällt der Groschen. Die „Freundin“ in der Wohnung entpuppt sich als BKA–Beamtin. Zeugen unerwünscht Im Flur des Bochumer taz–Büros sieht es wild aus. Glasscherben liegen auf dem Boden, das zerdepperte Türschloß und Holzsplitter. Wir sind hier Untermieter. Nebenan, in den Räumen des Ingenieurbüros „radial“ sind die Fenster - wie im taz–büro– verdunkelt. Man hat mal reingeschaut. „Die Tür war ja offen“, sagt der Einsatzleiter. Am nächsten Tag finden die Ingenieure von „radial“ ihre Ordner neu aufgereiht. Was wohl aus der Anzeige wegen Hausfriedensbruch wird? Mich wollen die Beamten nicht reinlassen. Schließlich biete ich die Schlüsselprobe an. Paßt. Jetzt darf ich. Drinnen genügt ein Blick, um zu sehen, warum hier Zeugen unerwünscht sind. Sechs Männer und eine Frau sind gerade dabei, das Archiv zu durchwühlen. Blatt für Blatt. Tausende. Es wird noch dreieinhalb Stunden so weitergehen. Schreibtisch, Schränke, Regale. Prechtels Erklärungen -“richtet sich nicht gegen die taz“ - klingen noch im Ohr. Von wegen. Alles, was hier gemacht wird, richtet sich gegen die Zeitung. Alles, was hier gefunden wird, ist der redaktionellen Arbeit in der taz zuzuordnen. Verbriefte journalistische Schutzrechte(Redaktionsgeheimnis, Informantenschutz, Zeugnisverweigerungsrecht) sind an diesem Freitag abend nicht einmal das Papier wert, auf dem sie stehen. Das gläserne taz–büro für den Staatsschutz. In der Tagesschau am Samstag um 20 Uhr heißt es: „In Bochum hatte man einen Durchsuchungsbeschluß für den Arbeitsplatz einer Mitarbeiterin der taz. Da die gesuchte Person nicht anwesend war, die Aktion aber bundesweit lief, verschaffte man sich den Zutritt. Dabei wurde möglicherweise auch eine Tür eingetreten.“ Weder wurde die Kollegin gesucht, noch war sie am Freitag nicht anwesend. Im Gegenteil, sie war fast den ganzen Tag über im Büro und fuhr gegen abend nach Rheinhausen, um über eine spektakuläre Veranstaltung im Walzwerk zu schreiben. Dieser Tagesablauf war dem BKA - dank des Fernmeldebereichs der Bundespost - wohl nicht ganz unbekannt. Tatsächlich wollte das BKA wohl niemanden antreffen, denn den Wiesbadener Beamten waren we gen einer etwa zwei Jahre zurückliegenden Durchsuchung die Zugangsberechtigten für das Bochumer taz–Büro mit deren Telefonnummern bekannt. Statt jemanden herbeizurufen, zerschlug man die Tür. Man fürchtete offensichtlich Zeugen. Alles eingepackt Der Zufall wollte es anders, aber am Ergebnis änderte sich gleichwohl nicht viel. Einer der Schreibtische blieb nun verschont, aber ansonsten triumphierte der Rechtsbruch. Zwischen den mitgenommenen Papieren und der beschuldigten Kollegin besteht, mit Ausnahme von ein paar beschrifteten Zetteln, absolut kein Zusammenhang. Kaum eine Archiventnahme, die durch den Dursuchungsbeschluß gedeckt wäre. Eingepackt wurde alles, was mit den „Revolutionären Zellen“ oder der „Roten Zora“ zu tun hat. Dabei nahmen die Fahnder dem Bochumer taz–büro anonym zugeschickte aktuelle Dokumentationen ebenso mit wie eine alte Ausgabe des Blattes Revolutionärer Zorn (1981), das genauso verstaubt in der Schublade lag wie das uralte RZ–Handbuch für den Widerstand. Positionspapiere der „Roten Zora“, die teilweise in der taz dokumentiert worden sind, waren dabei wie auch eine Notiz des Autors dieser Zeilen, in der es - adressiert an eine Kollegin - heißt: „Liebe P., du sollst bitte Herrn W. im Verteidigungsministerium zurückrufen.“ Wäre Herr W. tatsächlich ein taz–Informant gewesen, was die BKA–Leute wohl vermuteten, stünde es um seine Existenz ab heute nicht gut. Der Schutz von Informanten, den der Gesetzgeber mit dem Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten zu sichern trachtete, wurde durch die BKA–Aktion im Bochumer taz–büro in rechtswidriger Weise auf das gröbste verletzt. Walter Jacobs