Barrikaden in Ost–Jerusalem

■ Kämpfe zwischen Palästinensern und Soldaten in Jerusalem / Für heute Generalstreik angekündigt

Tel Aviv (afp/dpa/taz) - Bei den seit knapp zwei Wochen andauernden Protesten in den von Israel besetzten Gebieten ist es auch am Wochenende zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und Palästinensern gekommen. Zahlreiche Demonstranten wurden verletzt. Trotz Ausgehverbots und einem massiven Aufgebot israelischer Truppen gingen in zahlreichen Flüchtlingslagern und Städten der Westbank und des Gaza– Streifens Tausende auf die Straßen. In Gaza selbst war die Atmosphäre äußerst gespannt. Noch immer hat die israelische Armee das Shifa–Hospital umstellt, das am Freitag zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen gestürmt worden war. Die Krankenhausleitung hatte sich geweigert, zwei verletzte Palästinenser an die Armee auszuliefern. Daraufhin griffen 300 Soldaten das Gebäude an und gingen nach Angaben der Ärzte mit äußerster Brutalität gegen Patienten und Personal vor. Dabei schossen sie auf Verwundete in Krankenbetten, Krankenschwestern, Kinder und Besucher. Insgesamt zehn Verwundete wurden aus dem Hospital an einen unbekannten Ort gebracht. Auch in Jerusalem und Bethlehem kam es zu militanten anti–israelischen Protesten. Bei den heftigsten Unruhen in Jerusalem seit der Besetzung durch Israel 1967 wurden mehrere israelische Bankfilialen und Restaurants in der arabischen Altstadt verwüstet. Tausende Palästinenser zogen in Gruppen durch die Stadt, errichteten Straßenbarrikaden und lieferten sich stundenlange Kämpfe mit israelischen Soldaten. Etwa 5.000 Juden und Araber aus Israel zogen am Samstag Abend durch Tel Aviv, um gegen die Unterdrückungsmethoden der israelischen Besatzungstruppen zu protestieren. Unter Parolen wie „Raus aus den besetzten Gebieten“ vereinigten sich auf dem Museumsplatz in Tel Aviv zwei Demonstrationszüge der linken Oppositionsparteien und der „Peace–Now“–Bewegung zu einer großen Abschlußkundgebung. Fortsetzung Seite 6 Dabei erklärte Elazar Grannot, Mitglied der Mapam–Arbeiterpartei in der Knesset, daß das jüdische Channuka–Fest, das am Wochenende begangen wurde, von einem Fest der Freude und der brennenden Kerzen zu einem Akt der feuernden Gewehre und brennenden Autoreifen geworden sei. Nachmittags hatte es in Nazareth und Om–Elfahm sowie zahlreichen anderen arabischen Orten in Israel zum Teil stürmische Demonstrationen gegeben. Vertreter der Palästinenser haben aus Solidarität mit der Bevölkerung der besetzten Gebiete für heute einen Generalstreik der arabischen Bevölkerung in Israel angekündigt. Nach Beratungen über die Situation in den besetzten Gebieten vertagte sich am Freitag abend der Weltsicherheitsrat der UN in New York auf Montag. Die nach langen Diskussionen gefundene Kompromißformel für eine Resolution gegen das Vorgehen der israelischen Besatzung war in letzter Minute von den USA abgelehnt worden. Die Bundesrepublik und Großbritannien hatten sich am Freitag vor dem Sicherheitsrat „tief besorgt“ über die Unruhen in den besetzten Gebieten geäußert. Die internationale Staatengemeinschaft dürfe nicht schweigend zusehen, solange „wehrlose Frauen und Kinder“ unter den Opfern der Ausschreitungen seien, betonte der deutsche UNO–Vertreter Alexander York. Für Großbritannien erklärte Sir Crispin Tickell, die „Tragödie“, die sich gegenwärtig abspiele, verdeutliche die dringende Notwendigkeit einer Friedensregelung für die Region. In einer in Bagdad herausgegebenen Erklärung erklärte Jassir Arafat, der Vorsitzende des PLO–Exekutivrats, daß bei dem Volksaufstand seit dem 1. Dezember bisher 51 Palästinenser getötet, 472 verletzt und etwa 5000 verhaftet worden seien. Der Aufstand zeige, wie sehr das palästinensische Volk mit seinem Land und seiner Identität verhaftet sei.