Transnuklear sahnte kräftig ab

■ Die Hanauer Skandalfirma und bundesdeutsche AKW–Betreiber sparten Millionen, weil sie hochaktiven Atommüll umdeklarierten und nach Belgien lieferten / Fässer–Suche in der Bundesrepublik weitgehend abgeschlossen: 700 Stück / Empörung allenthalben

Berlin/Bonn (taz/dpa) - Die Firma Transnuklear hat beim Transport der verschobenen Atommüll–Fässer kräftig mitverdient. Nach Informationen der taz wurde hochaktiver Atommüll aus Kostengründen und aus Gründen der problemlosen Entsorgung zu mittelaktivem umdeklariert und nach Belgien geschafft. Dort steht er nocht heute. Zurückgeliefert wurde plutonium–verunreinigter leicht– und mittelaktiver Atommüll. Das Geschäft lief wie geschmiert. Weitgehende Unklarheit über Ausmaß und Ursachen der Transnuklear–Affäre herrschte gestern in Bonn nach der Sondersitzung des Umweltausschusses. Während von belgischer Seite bestätigt wurde, es sei hochradioaktiver Abfall aus der BRD geliefert worden, hieß es von Ministeriumsseite, es sei nur schwachradioaktiver, aber unzulässiger und nicht für Mol geeigneter Abfall gewesen. Nach Informationen des SPD– Umweltpolitikers Schäfer sollen dagegen auch hochradioaktiv verstrahlte Filter aus westdeutschen AKWs von Transnuklear angeliefert worden sein. Insgesamt sind 6.000 Kubikmeter Atommüll nach Belgien gegangen, 4.900 Kubikmeter kamen bearbeitet zurück. Bis 1986 hat es in den Ländern keine Stichproben gegeben, ob die transportierten Nuklear– Abfälle mit den zugehörigen Begleitpapieren übereinstimmen. Seitdem soll es gelegentliche Kontrollen geben. Obwohl bisher erst ein Faß geöffnet worden ist, bekräftigte auch der FDP–Politiker Baum am Rande der Ausschußsitzung, daß die „Oberflächenaktivität im Rahmen der genehmigten Werte“ liege und von den Fässern keine Gesundheitsgefährdung ausgehe. Allerdings ist bei dem in Frage stehenden Plutonium nicht die Strahlung, sondern die Giftigkeit das Problem. Sozialdemokrat Schäfer hatte bereits am Morgen gefordert, daß die internationalen Atomenergieorganisationen IAEO und Euratom in die Untersuchungen einbezogen werden müßten: „Es ist unfaßbar, wie wenig der Umgang mit waffenfähigem Plutonium kontrolliert wird.“ Bei der bundesweiten Suche nach den verschobenen Atommüll–Behältern mit unklarem Inhalt sind bis Montag rund 700 Fässer gefunden worden. Damit sei die Bestandsaufnahme der Behörden über die Lagerung falsch deklarierter Fässer weitgehend abgeschlossen, berichtete der Leiter der Hanauer Staatsanwaltschaft, Albert Farwick. Die Behälter werden nun in „gesonderte Verwahrung“ genommen. Allein 360 Fässer stehen in Gorleben. Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema Seite 3 Kommentar auf Seite 4 Transnuklear wies am Montag in einem Schreiben an den Umweltausschuß auf seine eigenen Aktivitäten zur Aufklärung der Affäre hin. Zugleich wurde die Gefährlichkeit der in den Fässern enthaltenen geringen Mengen an hochgiftigem Plutonium und Kobalt 60 bestritten. Plutonium gilt als außerordentlich giftig. Schon das Einatmen von millionstel Gramm kann nach Einschätzung von Wissenschaftlern den Tod herbeiführen. Niemand vermag die Gefährlichkeit auch schon winzigster Mengen genau einzuschätzen. Bezüglich der Menge der falsch deklarierten Fässer wollte sich Umweltminister Töpfer gestern nicht festlegen. Nach Töpfers Angaben hat sich der Mol Betreiber CEN gegenüber Transnuklear bereit erklärt, die verschobenen Fässer zurückzunehmen. 600 Kubikmeter nichtkonditionierungsfähiger Abfall aus der BRD liege jetzt noch in Mol. Dieser Abfall soll, so gab Töpfer belgische Angaben wieder, kein Plutonium enthalten. Mit Engpässen in der Entsorgungssituation ist nicht zu rechnen, meinte Töpfer, wenn das Transport–Verbot für Transnuklear weiter aufrecht erhalten wird. SPD–Partei– und Fraktionschef Hans–Jochen Vogel erklärte zu den Vorgängen bei Transnuklear, sie zeigten, daß in der Praxis noch nicht einmal vorsätzliche Verstöße gegen elementare Sicherheitsvorschriften ausgeschlossen werden könnten. „Herr Kohl und die Koalition sollten deshalb erneut überlegen, ob sie wirklich an der Formel von dem zu vernachlässigenden Restrisiko und der Parole ,Weiter so festhalten wollen“, forderte er. Die SPD schloß die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses für den Fall nicht aus, daß die Vorgänge nicht eindeutig geklärt würden und die notwendigen Konsequenzen auf Regierungsseite ausblieben. Der umweltpolitische Sprecher der CDU/CSU–Fraktion, Paul Laufs, verwies darauf, daß bei der Eingangskontrolle der 321 von Transnuklear genannten Fässer mit Nuklearabfall, die zwischen 1982 und 1984 zur Zwischenlagerung in deutsche Kernkraftwerke zurückgebracht wurden, keine erhöhte Radioaktivität festgestellt worden sei. Die in den Fässern enthaltenen Spuren von Plutonium stellten keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Die Vorfälle eigneten sich nicht „für die Schürung von Atomängsten“.