piwik no script img

Bayernmönchlein, du gehst einen schweren Gang

Montagstaz über SamstagsFAZ: Ab heute wird Gerhard Zwerenz sich jeden Montag die FAZ vom Samstag vorknöpfen. Presseschelte in der Presse: Da sage noch jemand, eine Krähe hacke der anderen kein Auge aus. Zwerenz Polemik ab Montag auf den Kulturseiten  ■ Von Gerhard Zwerenz

Nun ist es bayernstaatsamtlich: Die bösen Sowjets wollen uns nicht einmal angreifen. Dies die Jahresabschlußmeldung des Kremlfliegers Strauß. Wär er ein Jahr früher eingeladen worden, hätte die Bundeswehr schon längst keinen Verteidigungsauftrag mehr. Wozu denn rüsten, will keiner uns überfallen. Wär unser Spähtruppler aber erst Ende 88 im Kreml empfangen worden, glaubten wir noch bis nächsten Heiligabend an den bevorstehenden Angriff.

Erfolg brachte bereits der Albanientrip: 200 Mercedes-Busse werden künftig die skipetarischen Straßen befahren. Albaniens Dank an den Straußschen Mercedes-Spezi, der diesen Staatsbesuch eingefädelt hatte. Wer nun fädelte Moskau ein? Welche großen Geschäfte stehen bevor? Wird Strauß-Maffei seine Leo-2-Panzer künftig direkt an die Rote Armee ausliefern? Schon ist die Comecon-Verbotsliste der USA durchlöchert. Gott Mars soll raus und Merkur rein. Mein Gott, der Mann ist von Ratten unterwandert und Schmeißfliegen gestochen worden.

Die rechte Klientel war vorgewarnt. Zu Silvester geschah Unvorstellbares. Mars-Journalist Helmut Herles nahm die Flugkünste des FJS in der FAZ auf die Schippe. Überschrift, den Nichtbruchpiloten frozzelnd: „Wer sich nicht mit ihm erhebt, kann nicht erhoben werden.“ Der Stoiberer, wird berichtet, sei nur deshalb „immer so blaß, weil er immer mit seinem Herrn fliegen müsse... Denn es ist nicht nur eine Auszeichnung, mit dem Chef zu fliegen; oft ist es eine Probe auf Charakter, Standfestigkeit, Selbstverleugnung. Strauß herrscht über die Seinen, indem er sie als Mitflieger auszeichnet.“

Nun, was ist eine Landung auf dem Roten Platz gegenüber dem Straußschen Kunststück, das Erlöserturmtor des Kreml im Looping plus Rolle rückwärts zu durchfliegen.

Der FAZ-Silvesterscherz grenzt haarscharf an Majestätsbeleidigung. Noch fürwitziger wagt sich „Rm“ (Reißmüller sein Kriegsname) auf der Rückseite an den neuen Feind: „Aber er hat keinen Anlaß zu sagen, ein neues Kapitel sei nun aufgeschlagen, oder man stehe auf der Schwelle zu ei ner neuen Zeit. Solche großen Worte fördern nicht die Nüchternheit, mit der die Bundesrepublik gegenüber der Sowjetunion am weitesten kommt.“

Hier registrieren wir erblassend den ersten großen FAZ-Affront gegen unsern neuen Friedenskämpfer. Infamer noch die Nutzung des Wortes „Nüchternheit“, deren Mangel, multipliziert mit dem FAZ-Duktus, nichts anderes als eine Stockbesoffenheit des Fliegers nahelegt. Zuviel an Gorbatschow genippt. Was wird Scharnagel im nächsten Bayernkurier wohl antworten?

Zugegeben, unsereiner kommt mit dem gewendeten Strauß auch schwer zurande. Doch seine ehemaligen Kampfkameraden müssen sich ja wie zu Zeiten des Versailler Vertrags verraten, verkauft und geknebelt vorkommen. Zutiefst beunruhigt träumte ich der FAZ-Samstagsausgabe entgegen. Würden sie nicht schlagzeilen: Rettet die Bundeswehr vor den unverantwortlichen Abrüstungsphantasien des FJS... Fünferbande (Strauß-Stoiber-Tandler-Waigel-Scharnagel) bildet im Kreml kriminelle Vereinigung mit dem Ziele ewigen Friedens....? Rebmann, übernehmen Sie... Was nützt da Jan Reifenbergs Warnung in der Silvester- FAZ: „Die NATO braucht jetzt neuen Mut...“ Gut gebrüllt, FÄZchen, woher neuen Mut nehmen, wenns gegen Srauß geht, der doch gerade sein Bayernland mit der mächtigen Sowjetunion verbündelt hat? Ja, es gab schon immer drei Supermächte: USA, SU, China. Streich das letzte Wort durch. Setz Bayern hin.

Tja, Freunde von der Rechten, hättet ihr FJS früher berufverboten. Die FAZ vom Sonnabend, dem 2. Januar 1988, enttäuschte die hochgeputschten Erwartungen. Reagan und Gorbi kriegen eins drauf. Der Bericht von der Münchener Pressekonferenz des Rußlandheimkehrers steht erst an zweiter Stelle und fällt allenfalls durch wohltemperierte Glanzlosigkeit auf. In der Rubrik „Stimmen der Anderen“ werden auswärtige Stänkerstimmen zitiert. Ja, Kameraden von der mainischen Propagandafront, fehlts etwa an Linie, Standfestigkeit, Selbstverleugnung?

Nun ja, letzte Seite linkerhand bei den Giftküchen kriegt Zirndorf schwer eins aufs Dach, das Ausländerflüchtlingslager, das Flüchtlingen aus Afghanistan Asyl vorenthält. Ausgerechnet die FAZ als Asylantenbeistand, was wendet sich da. Und Zirndorf liegt im Bayerischen.

Wir sehen, die schwere Artillerie schießt sich ein. Bald werden den Main entlang Bunker errichtet.

Gewiß, so plötzlich ausbrechende Kurswechsel wie jetzt im Kreml erinnern geschichtsbewußte Deutsche, ja woran denn? Da war doch schon mal sowas. Nur, Freunde, damals wurde trotz Freundschaft und Vertrag weitergerüstet. Heute aber... Tief verborgen im FAZ-Gestrüpp der zweiten Seite findet sich die wahre Zeitbombe: „Strauß sagte auch, man könne in einem solchen Zusammenhang nicht alle Gedanken zu Ende denken, zum Beispiel den Gedanken, daß in einem neuen Zeitalter friedlicher Beziehungen die Rote Armee und die Bundeswehr überflüssig werden könnten.“

Will er den fatalen Gedanken nun in Ruhe doch zu Ende denken? Bayernmönchlein, du gehst einen schweren Gang. Denn was da auf dich zukommt, dagegen waren Ratten und Schmeißfliegen geradezu liebliches Getier.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen