: Alarm nur während der Dienstzeit
■ Niedersächsischer „Kernreaktorfernüberwachung“ produziert hauptsächlich Fehlalarme und reißt deutsche Beamte aus dem häuslichen Traum / Telefonisch lassen sie sich von den AKW–Betreibern in den Schlaf singen
Aus Hannover Jürgen Voges
Seit zehn Jahren existiert in Niedersachsen eine „Kernreaktorfernüberwachung“, die bei erhöhten radioaktiven Emissionen aus den AKWs automatisch Alarm auslöst. Doch betreiberunabhängig hat dieses computergesteuerte System bisher nur während der Dienstzeiten der Behörden funktioniert. Nachts und an Wochenenden waren die Überwachungsbeamten auf telefonische Informationen der AKW–Betreiber an gewiesen. Alle 22 Alarme, die die Meßgeräte in den Kaminen der AKWs ausgelöst haben, sollen nach Angaben des Landesamtes für Immissionschutz Fehlalarme gewesen sein. Nur in den Tagen nach Tschernobyl habe es echte Grenzwertüberschreitungen gegeben, sagte gestern der zuständige Gewerbedirektor im Landesamt Wolfgang Meyer. Nun will das Umweltministerium durch organisatorische Änderungen das Fernüberwachungssystem „wirklich betreiberunabhängig“ ma chen. Die Beamten des Landesamtes für Immissionsschutz sollen bei AKW–Alarm das Bett verlassen und selbst die im Amt einlaufenden Daten kontrollieren. Bisher hatte sich das Umweltministerium bei AKW–Alarm außerhalb der Dienstzeiten stets auf die Informationen der AKW–Betreiber verlassen. Das Fernüberwachungssystem registriert automatisch die Werte von aus AKW– Kaminen entwichenem radioaktiven Jod, Edelgasen und Aerosolen. Bei einer Grenzwertüberschreitung werde der Alarm zuerst einen Pfeifsignal erkennt der Beamten am Telefon, welches AKW den Alarm auslöste. „Danach nahm er dann per Telfon Verbindung mit dem Betreiber auf“, sagte der Gewerbedirektor. Anscheinend haben sich die Fachbeamten des Umweltministeriums bisher von den Betreibern überzeugen lassen, daß es sich um Fehlalarm handelte und sich anschließend wieder zu Bett gelegt. Die Fehlalarme, so sagt Gewerbedirektor Meyer, würden in erster Linie durch „Hochfrequenzstörungen“ ausgelöst. Wenn man am folgenden Tag oder nach dem Wochenende im Landesamt die Gesamtheit der einlaufenden Daten kontrolliert habe, sei immer der Fehlalarm bestätigt worden. Hundertprozentig ausschließen wollte aber auch Gewerbedirektor Meyer nicht, daß da kurzfristig schon mal etwas abgelassen wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen