: Töpfer in Mol fündig
■ Beim „Blitzbesuch“ in Brüssel stieß der Umweltminister auf herrenlosen bundesdeutschen Atommüll in 150 belgischen Fässern / SPD aufgewacht
Berlin (taz) – Die SPD-Bundestagsfraktion will sich offenbar nicht länger gegen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Atommüll-Affäre sträuben. Der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Schäfer, erklärte am Mittwoch, er wolle einen entsprechenden Antrag kommende Woche in seiner Fraktion und dann „sofort“ im Bundestag einbringen. „Ich setze dabei auf eine Allparteienkoalition“, meinte Schäfer, nachdem sich die SPD bisher ähnlichen Vorschlägen der Grünen widersetzt hatte. Schäfer for derte außerdem die Verstaatlichung von Transport und Lagerung jeglichen Strahlenmaterials.
Unterdessen wurde Bundesumweltminister Töpfer bei seiner Faßsuche zur Abwechslung in Belgien fündig: Im belgischen Atomzentrum in Mol sei er darauf aufmerksam gemacht worden, daß „sich möglicherweise auch deutsche Abfallstoffe in belgische Fässer eingeschlichen haben“, erklärte der Minister nach seinem Treffen mit Energie- Staatssekretär Aerts in Brüssel. Ein Sprecher des belgischen Energieministeriums bezifferte die Zahl belgischer Fässer mit bundesdeutschem „schwach strahlenden“ Atommüll auf 150. Außerdem gebar das Treffen eine weitere, dieses Mal grenzüberschreitende, Untersuchungskommission zur „raschen“ und „vollständigen“ Erfassung des gegenseitig verschobenen Atommülls. In einer „umfassenden Vereinbarung“ soll auch der Austausch der Abfallstoffe geregelt werden, die auf „unrechtmäßige Weise nach Deutschland oder Belgien gelangt sind“.
Die von Töpfer eingesetzte Bund- Länder-Kommission zur Erarbeitung eines neuen Entsorgungskonzeptes hat in ihrer ersten Sitzung mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, um die Anzahl der Transporte von Atommüll zu reduzieren. Die Konditionierung von Atommüll soll – so der unverbindliche Wunschzettel – verstärkt in den Atomkraftwerken erfolgen, technische Einrichtungen dafür müßten aber erst noch geschaffen werden. Bisher nicht durchgeführte Kontrollen sollen eingeführt werden: Die Abfälle müßten geprüft, „Rückstellproben“ einbehalten werden.
Die Anzahl der Transporte nach Mol soll außerdem stark reduziert werden, die Konditionierung so nahe wie möglich beim Verursacher erfolgen, also auch verstärkt in den Kernforschungszentren Karlsruhe und Jülich. Die Forderung zur Verstaatlichung der Atom-Transporte stieß in der Kommission auf weitgehende Ablehnung.
Die Kommission beschloß außerdem, daß sämtliche der 2.000 verschobenen Atommüll-Fässer überprüft werden. Darunter ist allerdings kein generelles Öffnen der Fässer zu verstehen. Spektroskopisch sollen die Fässer „durchleuchtet“ werden, um ihren Inhalt festzustellen. Nur bei wenigen Fässern sei beabsichtigt, durch Bohrkerne Stichproben zu nehmen.
Verstärkt in den Blickpunkt gerückt, ist nach dem Mol-Debakel der Bau einer Pilot-Konditionierunganlage in Gorleben. Ein entsprechender Genehmigungsantrag war schon im Frühjahr 1987 von der DWK gestellt worden. In der Anlage sollen alle Arten radioaktiven Mülls bearbeitet werden.
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