Atommüll auf Rüstungsschrott

■ Transnuklear–Fässer auf Gelände von Rüstungsbetrieben der Nazi–Zeit zwischengelagert / Heilquellen mit Dynamit verseucht / Sanierung kostet zwei Milliarden / Müssen IG–Farben–Nachfolger zahlen?

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Nicht–sanierte Standorte nationalsozialistischer Rüstungsproduktion werden in der BRD als Atomlager benutzt. Ein Teil der Transnuklear–Fässer mit unbekanntem strahlendem Inhalt wurde im niedersächsischen Zwischenlager Liebenau gefunden, das auf dem Gelände einer ehemaligen Sprengstoff–Fabrik liegt. Der Standort wird von der niedersächsischen Landesregierung als besonders altlastverdächtig angesehen. Auch ein weiteres Lager der Transnuklear für Uranhexafluorid wurde auf vermutlich chemisch verseuchtem Boden gebaut: In Leese (Raum Nienburg) produzierte die Firma Riedel De Haen im Faschismus Kampfstoffe. Auf diese doppelte Gefährdung durch die Zusammenballung von atomarer Neulast mit nicht–entsorgter chemischer Altlast machte gestern die Umweltorganisation BUND in Bonn aufmerksam. Der BUND stellte bereits vor einem halben Jahr eine Liste von über 70 ehemaligen Rüstungsstandorten der NS–Zeit zusammen, die bis heute überwiegend durch die Kampfmittelbeseitigungsdienste der Länder nur oberflächlich von Trümmern gereinigt wurden. Im Boden beherbergen sie eine tickende Zeitbombe: die Abfälle und chemischen Zwischenprodukte der nach dem Krieg gesprengten Fabriken. Für 14 dieser Standorte kann der BUND mittlerweile durch Untersuchungen von Initiativen und Behörden eine konkrete Gefährdung nachweisen. So mußte der Harzer Kurort Bad Grund die Ausgabe seines Heilwassers stoppen - die damalige TNT–Produktion der „Dynamit AG“ im 20 Kilometer entfernten Clausthal–Zellerfeld hat das Tiefengrundwasser bis heute weiträumig belastet. Aus dem Drainage–System des AKW Krümmel dringt nach BUND–Informationen kontaminiertes Wasser - auch hier produzierte die Dynamit AG. Ein Großteil der altlastverdächtigen Liegenschaften, wie die Atomlager Leese und Liebenau, gehört heute der „Industrieverwaltungsgesellschaft“ (IVG), der Nachfolgerin des NS– Rüstungsriesen „Montan“. Die IVG ist mehrheitlich in Bundesbesitz. Die Firma behauptet, alle erforderlichen Sanierungen auf ihrem Besitz durchgeführt zu haben. Da nach dem Grundgesetz die Bundesregierung für Kriegsfolgelasten zuständig ist, fordert der BUND jetzt von Umweltminister Töpfer die systematische Untersuchung und Sanierung sämtlicher Rüstungsaltlasten. Für die Finanzierung, die auf ein bis zwei Milliarden Mark geschätzt wird, müßte neben der IVG die Chemie– Industrie herangezogen werden, zum Beispiel BAYER, BASF und Hoechst als Nachfolger des Rüstungsproduzenten IG Farben. Siehe auch Hintergrund Seite 9