: Verlagerung der Lufthansa: Strauß statt Kranich
Computer-Buchungssystem „Amadeus“ geht nicht nach Köln /Hauptsitz der Lufthansa unterlag gegen Münchener Angebot /Parteipolitik spielt immer größere Rolle in der regionalen Ansiedlungskonkurrenz /Nächster Zankapfel: der Sitz der geplanten Deutschen Raumfahrtagentur /Nord-Süd-Gefälle kein Thema für Bonner Politik ■ Von Thomas Gesterkamp
In der Düsseldorfer Staatskanzlei lacht man, selten genug, über einen Witz von Otto Graf Lambsdorff. Den Kranich, der die Flugzeuge der Deutschen Lufthansa schmückt, so schlug der frühere Bundeswirtschaftsminister ironisch vor, solle man doch durch einen Strauß ersetzen. Selbst dem Wirtschaftsgrafen geht der Einfluß des bayerischen Ministerpräsidenten auf die bundesdeutsche Luftfahrtpolitik allmählich zu weit.
Grund für sarkastische Scherze, auch wenn sie von der falschen Seite stammen, bietet eine Standortentscheidung, bei der das um die Ansiedlung von Zukunftsindustrien bemühte Land Nordrhein-Westfalen einmal mehr das Nachsehen hat. Ein riesiges Rechenzentrum, das die Lufthansa zusammen mit anderen europäischen Fluggesellschaften plant, wird nicht in Köln, sondern in Erding bei München gebaut. Das neue Reisesystem mit dem klangvollen Namen „Amadeus“ soll ab 1989 die Buchungen von Flugtickets, Mietwagen und Hotels europaweit koordinieren.
Das 300-Millionen-Projekt, das langfristig 500 neue Arbeitsplätze bringen soll, hatte der nordrhein-westfälische Regierungschef persönlich an den Rhein holen wollen. Ende September schwänzte Johannes Rau eigens die erste Lesung des Landeshaushaltes, um sich auf einer Sitzung des Lufthansa-Aufsichtsrates in Frankfurt für den Standort Köln einzusetzen.
Doch in diesem Gremium sitzt auch Raus bayerischer Kollege Franz-Josef Strauß. Und der Mos kauflieger hat nicht nur bei überraschenden Staatsbesuchen das Steuerknüppel selbst in der Hand. In der Flugbranche laufe alles über den „deutschen Luftfahrtkönig“ und seine Helfer, schrieb der Spiegel, als sich der Freistaat im Juli letzten Jahres knapp fünf Prozent des Lufthansa-Aktienkapitals sicherte.
Erst im vergangenen September hatte Nordrhein-Westfalen, das etwa zwei Prozent der Anteile hält, 34 Millionen Mark aus den leeren Haushaltskassen locker gemacht, um sich an der Kapitalerhöhung des Unternehmens zu be teiligen. Den Einfluß des Landes auf die Lufthansa scheint das allerdings nicht gesteigert zu haben.
Köln ist zwar der Hauptsitz der Fluggesellschaft, aber von den 39.000 Mitarbeitern arbeiten nur knapp 2.000 in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens. Mit „Amadeus“ hofften die kommunalen Wirtschaftsförderer auf einen dicken Fisch. Denn seit Jahren wird die Stellung Kölns als Lufthansa-Zentrale ausgehöhlt. Nur noch das Rechnungswesen und die Personaldirektion residieren im Hochhaus am Rheinufer. Derzeit zieht die Marketing-Ab teilung nach Frankfurt um. „Man kann es soweit treiben, daß der Firmensitz nur noch auf dem Papier steht“, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Waldemar Jigalin bitter. In Köln wird nur noch verwaltet, aber nicht mehr entschieden.
Mißtrauisch beobachtet die Düsseldorfer Landesregierung den Drang der Führungsetage nach Süden. Unternehmenschef Heinz Ruhnau ist zwar SPD-Mitglied, gilt aber nicht gerade als Gönner des Lufthansa-Standortes Nordrhein-Westfalen. Er macht aus seiner Vorliebe für Frankfurt keinen Hehl.Ruhnaus Konzept, alle Bereiche im Rhein-Main-Gebiet zusammenzufassen, scheint sich jetzt allerdings nicht durchzusetzen. Eher geht es um eine regionalpolitische Schwerpunktverlagerung von Nordrhein-Westfalen Richtung Bayern. Denn nicht nur in Sachen „Amadeus“ etabliert sich mit München ein neues Luftfahrt-Unterzentrum, das scheinbar recht gut neben der Drehscheibe Frankfurt existieren kann.
In Bayern arbeitet rund die Hälfte der 85.000 Beschäftigten der Luft- und Raumfahrtindustrie. Wichtige Unternehmen der Flugzeugbranche haben hier ihren Sitz: etwa Messerschmidt-Bölkow-Blohm, die Muttergesellschaft der Deutschen Airbus GmbH.
Vor diesem Hintergrund kommt jetzt auch noch das Reise- Vertriebssystem „Amadeus“ nach München – trotz erheblich billigerer Grundstücksangebote aus Köln. Im nachhinein betrachtet haben diese nur dazu gedient, in Bayern die Preise zu drücken. Die Entscheidung war längst gefallen – „weniger aus wirtschaftlichen, denn aus politischen Gründen“, heißt es in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Denn Standortfragen seien im Zeitalter von Computerkommunikation, Videokonferenzen und Bildtelefon ohnehin zweitrangig: „Köln hat einfach das Pech, daß es im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen liegt.“
Dieses Manko droht eine weitere, in diesen Wochen anstehende Ansiedlungsentscheidung zu beeinflussen. Neuester Zankapfel ist der Sitz der geplanten „Deutschen Agentur für Raumfahrt“, kurz „DARA“ genannt: Das plakative Kürzel soll bewußt Assoziationen an ein bekannteres amerikanisches Vorbild wecken. Die Weltraumpläne der Bundesregierung möchte Heinz Riesenhuber in der Nähe der Hauptstadt koordinieren. Seit Monaten spricht der Forschungsminister von „Großraum Bonn“, ohne sich genauer festzulegen. Aus gutem Grund: Denn CDU-Strategen in Kanzleramt und Ministerium haben das nur wenige Kilometer südlich gelegene Bad Neuenahr ins Gespräch gebracht. Zwar sind in dem Kurstädtchen keinerlei Voraussetzungen für eine Raumfahrtbehörde vorhanden – aber der beschauliche Ort hat einen Vorteil: Er liegt bereits im christdemokratisch regierten Rheinland-Pfalz. Die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR), die im Kölner Vorort Porz bisher den Löwenanteil der Weltraumaktivitäten konzentriert, hätte das Nachsehen.
Luft- und Raumfahrt im Sog des wachsenden Süd-Nord-Gefälles in der Bundesrepublik – doch gerade in dieser staatsabhängigen Branche könnte die Bonner Regierung gegensteuern. Sie tut es nicht – im Gegenteil. Mit dem Vorwurf der „Mauschelei“ in der „Amadeus“-Affäre will Ministerpräsident Rau seinen bayerischen Kollegen Strauß demnächst im Lufthansa-Aufsichtsrat konfrontieren. Doch Lobbyisten, auch wenn sie sich gerne als Hobby-Piloten der Öffentlichkeit präsentieren, arbeiten bekanntlich im Hintergrund. Der gleichnamige Vogel dürfte demnach als neues Emblem der Lufthansa nicht in Frage kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen