: GAL-Zoff um Hafenstraßen-Ausschuß
Unterschiedliche Auffassungen um die Politik im Hafenstraßen-Konflikt gibt es schon seit letzten Sommer / War der Vertragsabschluß jetzt ein Erfolg oder nicht, und wenn ja, warum? / Heute tagt der Landesvorstand: Wer darf in den Untersuchungsausschuß? ■ Aus Hamburg Kai von Appen
Um die „Gewaltfrage“ ist in der Hamburger GAL ein heftiger Flügelstreit entbrannt. Der Konflikt entzündet sich an der Rolle der GAL-VertreterInnen im parlamentarischen Untersuchungsausschuß „Hafenstraße“, der in den kommenden Monaten die Politik des Senats und sogenannte Rechtsverstöße der Hafenstraßen-BewohnerInnen untersuchen soll. Der Landesvorstand der GAL wird heute über die Marschroute und ein Positionspapier des „Hafenstraßen-Kommitees“ beraten.
Unterschiedliche Auffassungen um die GAL-Politik im Hafenstraßen-Konflikt sind seit dem vergangenen Sommer offenkundig.
Der fundamentalistische Flügel unterstützte die Wiederbesetzung bereits geräumter Wohnungen und war für die Befestigungen und die öffentliche Signalisierung der Verteidigungsbereitschaft. Die Realos hingegen stuften in einer von Conny Jürgens, Thea Bock und Erwin Justitsch unterschriebenen Presseerklärung die Wiederbesetzung als „bestenfalls objektiv belanglos“ ein. Diese Wiederbesetzung würde eine vom Senat gewollte „friedliche Lösung“ des Konflikts gefährden.
Unter den Fundis wie unter den BewohnerInnen stieß diese Distanzierung auf Protest, weil die GAL damit den BewohnerInnen in den Rücken gefallen seien und zudem die Illusionen in die Vertrauenswürdigkeit einer durch den Se nat angekündigten, aber immer wieder torpedierten Vertragslösung geweckt hätten.
Als nach dem Verstreichen des Senatsultimatums im November zur Unterzeichnung des sogenannten „Knebelvertrages“ Barrikaden errichtet wurden, brach der Konflikt in der GAL erneut offen aus. Unter Hafensträßlern wie bei dem unter anderem von GAL- Fundis dominierten „Initiativkreis“, beim „Kommitee“ um den Mäzen Jan Philipp Reemtsma und bei dem Ex-GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Michael Herrmann stieß der Barrikadenbau auf wenig Zustimmung. Alle Beteiligten merkten jedoch schnell, daß es durch diese Aktionen erstmals seit der Wiederbesetzung gelungen war, das Zepter in die Hand zu bekommen und den Senat zum Handeln zu bewegen.
Die Realos hingegen sahen dies anders. Mehrfach appellierten sie in Erklärungen an die BewohnerInnen, auf die Forderung von Bürgermeister Dohnanyi (SPD) einzugehen und die Barrikaden als Vorbedingung neuer Gespräche abzubauen. So versuchten GAL- Realos vor Ort in der zum Journalisten-, Kulturschaffenden- und Promi-Treff umfunktionierten Kneipe „Zapfhahn“ am Telefon und in Gesprächen mit dem Bürgermeister zu vermitteln, während die Initiativkreis-Fundis alle Hände voll zu tun hatten, den Widerstand gegen einen möglichen Sturm auf Häuser und Barrikaden zu organisieren.
Die gefundene Lösung hätte si cher von beiden Flügeln politisch genutzt werden können, hätten die Realos nicht unmittelbar nach Vertragsabschluß den Erfolg allein ihrer Politik des Vermittelns und Verhandelns zugeschrieben. Dieser Konflikt wiederum war dann der Anlaß für den Streit um die GAL-Besetzung im von der CDU beantragten Untersuchungsausschuß. Fundamentalistinnen aus der Frauenfraktion (Ulla Jelpke, Christina Kukielka und Anja Kuhr) weigerten sich aus persönlichen Gründen mit der ebenfalls für den Ausschuß nominierten Conny Jürgens zusammenzuarbeiten. Auch der „Initiativkreis“ und das „Komitee“ lehnten eine Zusammenarbeit mit der in Ungnade gefallenen Parlamentarierin ab. „Wir wollen doch nicht die Gewaltdebatte auch noch im Ausschuß führen“, war aus dem Kreis zu hören. Mehrere Wochen war die Frauenfraktion wegen eines Patts blockiert, bis sich die Fundis durchsetzten und Ulla Jelpke sowie Christine Kukielka für den Ausschuß benannten.
Mitten in diesen Knatsch platzte dann das „Komitee“ mit einer schriftlich fixierten Einschätzung des Konflikts. In dem Papier wird der Vertragsabschluß als „relativer Erfolg“ dargestellt: „Er zeigt, daß die entscheidenen Impulse politischer Auseinandersetzungen immer wieder von außerparlamentarischen Bewegungen ausgehen, die alle nur denkbaren Formen symbolischer und anderer Gegengewalt haben und ausbilden und denen gegenüber oppositio nelle Parlamentarier unterstützende Aufgaben wahrnehmen müssen.“ Wenn die GAL mit dieser Einschätzung übereinstimme, sichere das Komitee den AusschußvertreterInnen jegliche Unterstützung zu.
Die Realos bewerten dieses Vorgehen des Komitees als „Erpressungsveruch“ und „Nötigung“. In Form eines Beschlusses, den sie zur heutigen Landesvorstandssitzung einbrachten, wollen sie das Komitee-Begehren, eine Zusammenarbeit „an untragbare politische Bedingungen zu knüpfen“, zurückgewiesen wissen, da diese Position nicht den Grundlagen der Partei entspreche.
Unter den Fundis stößt das Papier, das bereits im Dezember erstmals diskutiert worden war, in der Tendenz auf Zustimmung. Ein Initiativkreis-Sprecher: „Das Ergebnis ist außerparlamentarisch durchgesetzt worden und nicht durch einige Telefonate von Promis oder auf Bundesebene. Er war auch das Ergebnis des militanten Widerstands, wie die Wiederbesetzung oder der Barrikadenbau.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen