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Verkehrsamt half Autoknackern

■ Beamtin des Bochumer Rathauses organisierte Zulassungsstempel für geklaute Autos / 40 mutmaßliche Mitglieder einer „kriminellen Vereinigung“ machten Millionengeschäfte mit zerlegten Karossen

Aus Bochum Petra Bornhöft

Insgesamt 250 Straftaten gehen nach Ansicht der Bochumer Kripofahnder und Staatsanwälte des Dezernats für organisierte Kriminalität auf das Konto einer seit 1983 aktiven „kriminellen Vereinigung“ von Autoknackern, Hehlern, Schrottplatzinhabern, KFZ–Sachverständigen und einer Beamtin des Straßenverkehrsamtes Bochum. Die Mehrzahl der 40 Beschuldigten, darunter der „Kopf der Bande“, ein 30jähriger Maschinenschlosser aus Bochum, sollen eine „Lebensbeichte“ abgelegt haben. Man schätze den Schaden auf 3,5 Millionen DM, teilten Kripo und Staatsanwälte gestern vor der Presse mit. Im September 1987 erhielt die Polizei den Hinweis auf eine illegale Autowerkstatt in der Revierstadt. Sie legte sich auf die Lauer, hörte Telefone ab und recherchierte. Mit Staunen registrierten die Beamten, daß die fast ausnahmslos auf schwere, schnelle Limousinen spezialisierten Männer in drei „Schrauberwerkstätten“ des Ruhrgebiets „nur dreieinhalb Stunden brauchten, um einen Golf–GTI–6–Ventiler komplett auszuschlachten“. Die Teile dieser häufig auf Bestellung entwendeten PKWs wurden entweder für gutes Geld an Schrottverwerter oder Autohändler im In– und Ausland verkauft oder aber in andere Karosserien eingebaut. Letztere erstand der Hehlerring auf Schrottplätzen, wo die dazu gehörigen Kfz–Papiere bereitlagen. Dann fehlte nur noch die amtliche Zulassung. Das erledigte Petra T. (30), Sachbearbeiterin des Bochumer Straßenverkehrsamtes und Neubesitzerin eines BMW 320, in etwa 40 Fällen. Darüberhinaus engagierte sich mindestens ein vereidigter Kfz–Sachverständiger, der nach fingierten Serienunfällen hohe Schadenssummen „begutachtete“. Auf diese Weise soll sich die Gruppe mehrere hunderttausend Mark von den Versicherungen erschwindelt haben. Die Ermittlungen seien weitgehend abgeschlossen, so die Staatsanwaltschaft, mit einer Anklage ist im Februar zu rechnen. Seltsamerweise zeigten sich die Fahnder gestern sehr uninteressiert an weiteren Merkwürdigkeiten im Bochumer Straßenverkehrsamt. Bei einem erstmaligen Vergleich des lokalen Fahrzeugregisters mit den Dateien des Flensburger Kraftfahrtbundesamtes kam heraus, daß 3.500 in Flensburg nicht existente Autos in Bochum „ordnungsgemäß“ zugelassen sind. Im Falle des Diebstahles eines solchen „Geisterautos“ hätte die Polizei kaum eine Chance, die Beute sicherzustellen. Die Stadtverwaltung verharmlost den Vorgang jetzt als „Bereinigung statistischer Zahlen“. In der sonst sehr zurückhaltenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung wird unterdessen offen über „weitere Bestechungsfälle im Amt“ spekuliert.

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