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Was treibt NUKEMs Töchterchen in Luxemburg?

Die Luxemburger Staatsanwaltschaft ermittelt / Die NUKEM-Briefkastenfirma „NUKEM-Lux“ ist laut Firmenbilanz unter anderem „für Durchführung von Vermittlungsgeschäften auf dem Gebiet des nuklearen Brennstoffkreislaufs“ zuständig / Eine Firma ohne Personal  ■ Von Thomas Scheuer

Luxemburg (taz) – Die Skandalfirma NUKEM hat möglicherweise einen Teil ihrer dubiosen Uran-Geschäfte über eine Tarnfiliale in Luxemburg abgewickelt. Diesen Verdacht legt zumindest ein Dokument nahe, das der Grünen- Abgeordnete im Luxemburger Parlament Jup Weber diese Woche der dortigen Staatsanwaltschaft übergab, die jetzt Ermittlungen aufgenommen hat: einen Vertragsentwurf zwischen der französischen staatlichen Elektrizitätsgesellschaft Electricite de France (EDF) und der NUKEM Luxemburg aus dem Jahre 1979 samt Begleitschreiben.

Daraus geht hervor, daß NUKEM-Lux in einem Drittland Natur-Uran aufkaufen, dieses bei der Firma COMURHEX im französischen Malvesi konditionieren und dann als Uranhexafluorid (UF6) an die Elektrizitätsgesellschaft eines wiederum nicht genannten Drittlandes liefern sollte. Im Falle des Inkrafttretens sollte das UF6 zunächst in die Anreicherungsanlage in Pierrelatte geliefert werden. Dort werden die meisten Atom-Transporte in Richtung Hanau auf die Piste geschickt: Der RBU-Transporter, der im vergangenen Frühjahr südlich von Freiburg auf der Autobahn verunglückte, kam ebenso von dort wie die drei RBU-Laster, die in Lübeck von BlockiererInnen in einer BGS-Kaserne in Quarantäne gehalten werden. Die EDF verpflichtet sich in dem Vertrag für den Fall, daß das beschriebene Geschäft infolge höherer Gewalt nicht so abgewickelt werden kann, der NUKEM-Lux das Uran abzukaufen – allerdings unter der eigens eingeschobenen Bedingung, frei über das Uran verfügen zu können, was bedeuten könnte: nicht auf zivile Nutzung beschränkt zu sein. Frankreich gewinnt sein Waffenspaltmaterial teilweise aus zivilen Atomfabriken wie etwa dem Schnellen Brüter in Malville. Die vorgesehene Vertragsdauer erstreckte sich von 1980 bis 1992 und umfaßte rund 3.700 Tonnen Uranhexafluorid (249,4 t UF6 pro Jahr).

Ob dieser Vertrag nun unterzeichnet wurde oder nicht, so kann er als Indiz dafür gelten, daß das Hanauer NUKEM-Stammhaus im großherzoglichen Eldorado für Briefkastenfirmen eigens eine Briefkopf-Dependance gründete, um über diese Verschiebegeschäfte mit Drittländern abwickeln zu können. Dafür sprechen mehrere Indizien: Als Firmenzweck wird in der Jahresbilanz 1986 klar „die Beratung und Durchführung von Vermittlungsgeschäften, Finanzierungen und sonstigen Dienstleistungen auf dem Gebiet des nuklearen Brennstoffkreislaufes angegeben“. Nach Auskunft der luxemburgischen Behörden hat NUKEM-Lux jedoch nie eine atomrechtliche Genehmigung beantragt oder erhalten. In der 86-Bilanz, die immerhin unter der Rubrik Warentermingeschäfte millionenschwere Vorgänge (Terminverkäufe mit einem Volumen von 32.564.982 US-Dollar und Termineinkäufe von 11.520.000 US- Dollar) verbucht, taucht nicht ein Pfennig Personalkosten für das Luxemburger Büro auf. Das residiert unter den Fittichen der Treuhandgesellschaft Fiduciaire Generale de Luxembourg. War NUKEM-Lux also nur eine Strohfirma, um die Angabepflicht nach dem EURATOM-Vertrag oder dem Nichtverbreitungsvertrag zu unterlaufen? Wenn es sich um legale Geschäfte unter europäischen Partnern handelte, warum wurden diese dann nicht direkt über das Stammhaus, sondern unter Luxemburger Briefkopf abgewickelt?

Im Verwaltungsrat NUKEM- Lux finden sich jedenfalls alte Bekannte aus dem Hanauer Skandalkarussel: Dr. Manfred Stephany, Peter Jelinek Fink, Dr. Günther Ratke (die beiden letzteren seit vergangenen Montag in Zwangsurlaub), des weiteren ein Peter Daniel aus Großbritannien, der luxemburger Rechtsanwalt Andre Elvinger, der leitende Fiduciaire- Angestellte Georges Kioes und ein Mister John Hamilton George Senior aus London. Als Direktoren fungieren Horst Keese und Kurt Schreiber, beide wohnhaft in Rodenbach bei Hanau. 60 Prozent der Luxemburger Schattenfirma halten die NUKEM-Väter in Hanau, zehn Prozent die Dresdner Bank und 30 Prozent die R.T.Z. Mineral Services Ltd. im schweizerischen Steuerparadies Zug, ein Ableger jenes britischen Konzerns Rio-Tinto-Zinc, der trotz UN- Embargo in vorderster Reihe im Urangeschäft in Namibia mitmischt. Seit Montag ermittelt eine luxemburger Staatsanwältin in Sachen NUKEM-Lux; Jup Weber, der vor zwei Jahren schon einmal mit der Veröffentlichung eines geheimen Sicherheitsberichtes über den Atom-Park Cattenom Aufsehen erregte, hat Strafanzeige gestellt wegen Verstoß gegen das Handelsrecht und vorsorglich – da die Drittländer bisher im Dunkeln sind – auch gleich wegen Verletzung des EURATOM- und des Nichtverbreitungs- Vertrages.

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