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Militärische Integration verhindern

■ Erste gemeinsame Erklärung der französischen und bundesdeutschen Friedensbewegung

„Das Memorandum der bundesdeutschen Friedensbewegung an die französische Linke von 1983 ist in unserer Öffentlichkeit nicht verstanden worden“, beschreibt Jaques Picard vom unabhängigen Pariser Friedenszentrum La Forge (die Schmiede) ein nach wie vor sehr aktuelles Mißverständnis aus den Tagen, als Frankreichs Staatspräsident Francois Mitterrand im Deutschen Bundestag für die Stationierung der Pershing II und Cruise Missiles warb.

Mit einiger Verspätung haben die Friedensbewegungen beider Länder jetzt vereinbart, dazu beizutragen, daß die „deutsch- französische Freundschaft nicht mißbraucht wird, um neue Kriege vorzubereiten“. In einer zum heutigen 25. Jahrestag des Elysee- Vertrages veröffentlichten gemeinsamen Erklärung wenden sie sich gegen die „verstärkte militärische Integration Westeuropas um die Achse Bonn-Paris“ sowie „Vorherrschaftsansprüche“ beider Staaten in Europa und fordern „gerechte, partnerschaftliche Beziehungen zur 3. Welt“ anstelle von militärisch abgesichertem Neokolonialismus.

Das Zustandekommen dieser Erklärung und vor allem das breite Unterzeichnerspektrum aus Frankreich sind ein Politikum angesichts des komplizierten Verhältnisses zwischen bundesdeutscher Friedensbewegung und der französischen Linken. Zwar gibt es seit Jahren bilaterale Beziehungen zwischen dem der KPF nahestehenden „Mouvement de la Paix“ und dem DKP-Spektrum einerseits sowie entsprechende Kontakte der Grünen zu ihren französischen Partnern und unabhängigen Gruppen (Komitee für die Denuklearisierung Europas) andererseits. Zum ersten Mal aber stehen nun die Namen der führenden VertreterInnen aller dieser Organisationen unter einer gemeinsamen Erklärung. Erarbeitet wurde sie auf einem Seminar „Friedenskoalition der Völker statt Militärkoalition der Regierenden“ am letzten Wochenende in der Evangelischen Studentengemeinde Mainz.

90 FriedensfreundInnen von beiden Seiten des Rheins – weit mehr als erwartet – waren der Einladung des Bonner Koordinationsausschusses (KA) der Friedensbewegung gefolgt. Die zunehmende Militärkooperation beider Staaten sowie französischerseits das Interesse an bundesdeutscher Unterstützung für die jeweils favorisierten Präsidentschaftskandidaten waren stärker als die unterschiedlichen Positionen, die bislang eine breitere Kooperation verhindert hatten.

Daß diese Schwierigkeiten nicht gänzlich überwunden sind, zeigt der Text, bei dem die bundesdeutsche Seite erhebliche Kompromisse eingehen mußte. So wird lediglich „der Ausbau der Force de Frappe“ abgelehnt, da eine völlige Verwerfung der französichen Atomstreitmacht dem nach wie vor weitgehend in den nationalen sicherheitspolitischen Konsens eingebundenen Mouvement de la Paix noch nicht möglich scheint. Bislang wesentlich auf die Atomwaffen der Großmächte fixiert, unterschrieben Mouvement-Vertreter aber immerhin den Satz, „die BRD und Frankreich sollen endlich beginnen, konventionell abzurüsten“. Das Nein zu „gemeinsamen Satelliten für Zivilplanung und Aufklärung“ wie zur „Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO“ sind notwendige Punkte der Auseinandersetzung mit bundesdeutschen Sozialdemokraten und französischen Sozialisten, die in Mainz allerdings durch Abwesenheit glänzten. Daß die „atomindustrielle Zusammenarbeit beider Länder (NUKEM, La Hague, Super-Phenix, Kalkar)“ nur als Frage nach den „bestehenden Gemeinsamkeiten und Differenzen bei der Ablehnung“ thematisiert werden konnte, war für einige bundesdeutsche TeilnehmerInnen vor dem Hintergrund des aktuellen Atomskandals ein kaum mehr tragbarer Kompromiß.

Der Text wurde auf zwei Pressekonferenzen in Paris, vom Mouvement de la Paix und vom Präsidentschaftsbewerber Juquain, der von unabhängigen Friedensgruppen unterstützt wird, vorgestellt.

Die zwischen den Bewegungen beider Länder umstrittenen Punkte sollen auf künftigen Seminaren weiterdiskutiert werden. „Öffentliche Meinung, Vorurteile und Wahrnehmungsstrukturen in beiden Ländern“,“Alternative Verteidigunskonzepte“ und „Städtepartnerschaften zwischen Friedensgruppen“ sind außerdem Themen für demnächst regelmäßige Konsultationen mindestens zwei mal im Jahr.

(Text der Erklärung und weitere Materialien bei: Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung, Römerstraße 6, 5300 Bonn, Tel.0228/692904) Andreas Zumach

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