: DDR: Weiterhin Unruhe
■ Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg fordert die Freilassung der in Ost-Berlin Verhafteten / BRD-Künstler solidarisieren sich
Berlin (taz) – Die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg stellte sich am Donnerstag abend zum ersten Mal deutlich auf die Seite der seit dem Wochenende nach einer offiziellen Demonstration Verhafteten. Auf einer kirchlichen Veranstaltung verlas Bischof Forck eine Erklärung der Kirchenleitung, in der die Freilassung aller Verhafteten gefordert wird. Nach Informationen der Kirche sind gegen insgesamt 42 Personen Haftbefehle erlassen worden. Lediglich fünf von ihnen hätten keinen Ausreiseantrag gestellt. Sie gehören zum Umkreis von Menschenrechts-, Friedens- und Umweltgruppen. Bischof Forck bemüht sich um eine Besuchserlaubnis für diese fünf Festgenommenen. Er kündigte an, daß die Kirche die Staatsorgane darum bitten werde, „das Gespräch um den Streit verschiedener Meinungen in der Gesellschaft und um die Problematik von Ausbürgerungsanträgen grundsätzlich und konkret fortzusetzen.“
SängerInnen und SchauspielerInnen aus der BRD haben ein Telegramm an Erich Honecker gesandt, in dem sie die Freilassung aller Verhafteten und die Aufhebung des Berufsverbots für Krawzcyk fordern. Das Telegramm wurde auch von Barbara Sukowa unterzeichnet. Sie hatte in einem Film von Trotta die Rosa Luxemburg gespielt. Der Film war auch in der DDR aufgeführt und hoch gelobt worden. Unterschrieben haben des weiteren u.a. Udo Lindenberg, Dieter Hildebrandt, Herbert Grönemeyer, Ina Deter und Ulla Meinecke. Sie seien von den Festnahmen „tief erschüttert“. „Daß ausgerechnet in der DDR das Erbe Rosa Luxemburgs so eingeschränkt wird, erfüllt uns mit Trauer.“
Mehrere „Freunde und Anhänger“ des inhaftierten Liedermachers Stefan Krawczyk hatten gestern an die Künstler und Schriftsteller in der Bundesrepublik appelliert, sich für seine Freilassung einzusetzen und nicht mehr in der DDR aufzutreten, solange er „in einer Haftanstalt verwahrt wird“. Die Unterzeichner, zu denen auch die Lebensgefährtin des Sängers, Freya Klier, gehört, appellieren besonders an ehemalige DDR- Autoren wie z.B. Wolf Biermann, Erich Loest, Günther Kunert und Reiner Kunze, sich mit Krawzcyk zu solidarisieren, „damit nicht völlige Nacht über uns hereinbricht.“ In Ost-Berliner Briefkästen sind Schmähbriefe gegen Krawczyk aufgetaucht, in denen er u.a. als „Reagans Rattenfänger“ diffamiert wird. In den Briefen wird dazu aufgefordet, sie zu kopieren und weiter zu verbreiten.
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