KOMMENTAR
: Der Fall Hanau

■ Was bleibt übrig von Urangate?

Bundesregierung und Atomindustrie wollen den ungeheuerlichen Verdacht des Verstoßes gegen den Atomwaffensperrvertrag so schnell wie möglich beerdigen und dann zum „business as usual“ übergehen. Im Vergleich zum Proliferationsverdacht erscheinen die übrigen Vorwürfe als „Peanuts“ mit denen man fertig zu werden glaubt. Nach verfallener Halbwertszeit der Empörung würde dann mit „neuen Kontrollen“ und altem Filz die friedliche Nutzung der Atomenergie in die nächste Runde gehen. Doch die gewünschte Normalität ist nicht wieder herstellbar, denn der Fall Hanau hat eine Fülle von Fakten aufgedeckt, die das Ausmaß eines kriminellen Brennstoffkreislaufs erst richtig sichtbar machten.

Halten wir fest: Ingenieure, Wissenschaftler und „Praktikanten“ aus Pakistan gingen nicht nur in Mol, sondern auch in deutschen Kernforschungsanlagen ein und aus. Spitzenfunktionäre des Atomzentrums in Mol bis zum Direktor himself reisten nach Pakistan und trafen sich dort mit Repräsentanten des militärisch ausgerichteten Atomprogramms. Mit einem Land, das den Atomsperrvertrag nicht unterzeichnet hat und das alle zwei Monate laut über seine Fortschritte beim Bau der Atombombe nachdenkt, wurde nukleartechnisch kooperiert. Das ist Fakt. Fast schon vergessen ist, daß die Firma Transnuklear, die bestochen, geschoben, manipuliert und unterschlagen hat, eine bis 1989 laufende Genehmigung zur Ausfuhr von Nuklearmaterial nach Pakistan hatte. Wen beruhigt eigentlich die Erklärung, es habe sich um medizinische Kleinstmengen gehandelt? Vor allem hat der Fall Hanau aber die unzähligen Schiebereien von Atommüll und von atomaren Brennstoffen quer durch Europa deutlich gemacht. Atomzentren, die in keinem Entsorgungs“konzept“ genannt sind, wurden plötzlich zu Schaltstellen des Müll-Transfers. Angereichertes Material, plutoniumhaltige Abfälle, Brennstäbe und Uran in allen Formen wurden wie Rosinenbrötchen kreuz und quer durch die Lande gekarrt unter der Regie von nie gehörten Tochter- und Beteiligungsfirmen.

Ganz nebenbei wird bekannt, daß Karlsruher Kernforscher in Mol Plutonium aus gering strahlenden Abfällen abtrennten. Ganz nebenbei wird transparent, wie lächerlich und uneffizient die „Überwachung“ durch die IAEO abläuft, deren Kontrolleure ihren Besuch vorher regelmäßig brav anmelden. Von niemandem werden Manipulationen an Frachtbriefen und Tauschgeschäfte mit spaltbarem Material bestritten, mit denen Ursprungs- oder Empfängerländer der heißen Fracht unkenntlich gemacht werden, um Handelsembargos oder Proliferationsbeschränkungen zu umgehen. Weitgehend geklärt ist der merkwürdige Umgang der NUKEM mit 50 Atommüllfässern, die angeblich die Asche von „Büromöbeln“ enthielten, die wiederum zu Reaktorbrennelementen verarbeitet werden sollten. In ihnen wurde hochangereichertes Uran mit Natururan solange „verdünnt“, bis der Anreicherungsgrad „stimmte“. Zwei andere Fässer mit 114 Kilogramm Inhalt unbekannter Zusammensetzung bleiben dagegen nach wie vor verschwunden. Verschwunden bleiben schließlich auch 15 von 21 Millionen Mark an Bestechungsgeldern, die die Transnuklear an ihre Bordell-erprobten Helfershelfer ausschüttete.

Was bleibt, ist ein „Brennstoffkreislauf“ mit tausend schwarzen Löchern, in denen sich die Spuren des (auch waffentauglichen) Atommülls verlieren – und ein Entsorgungs-“konzept“, das sich im wesentlich darin erschöpft, den Atommüll weltweit von Ort zu Ort zu karren. Kriener/Rosenkranz