: Kreditanstalt für Wiederaufbau: Die Bank im Staatspelz
Aus Anlaß der heute stattfindenden Wirtschaftspressekonferenz der KfW genehmigen wir uns einen Blick hinter die Kulissen der Verwalter der Marshall-Plan-Reste ■ Von Konrad Melchers
Unter den entwicklungspolitischen Institutionen ist sie die feinste im deutschen Land, kurz KfW. Sie ist so fein, daß ministeriale Besucher aus Bonn vom Empfangspersonal schon mal sicherheitshalber mit Adelstitel angeredet werden. Da ihre feinen Mitarbeiter 1.Klasse fliegen, gibt es hin und wieder Probleme bei Reisen mit Regierungsdelegationen in Entwicklungsländer. Denn die Bonner Beamten dürfen meist nur Economy fliegen.
Im Innern der KfW gibt es scharfe Klassentrennungen. So versorgt sich das Fußvolk in einer Kantine, während der sechsköpfige Vorstand und die Abteilungsleiter in einem Casino bedient werden. Bei der Entsorgung gehen die feinen Unterschiede sogar noch weiter. Einige Zeit gab es in der KfW zwei verschiedene Sorten Klopapier, ein feines für die Toiletten des Vorstandes und ein gewöhnliches für den Rest. Darüber entbrannte dann doch der Klassenkampf von unten mit so durchschlagendem Erfolg, daß alle Toiletten mit dem feinen Duftpapier bestückt wurden.
Obwohl die KfW von ihrem Bilanzvolumen (1986: 94 Milliarden DM) eine der ersten zehn Bankadressen der Bundesrepublik ist, zählt sie doch nicht richtig zur Frankfurter Geschäftsbankenwelt. In Wirklichkeit ist sie eine staatliche Behörde, für die 1948 eigens ein Gesetz gemacht worden ist. Das merkt man auch schon daran, daß mindestens eine(r) der knapp 900 Beschäftigten damit befaßt ist, die Belegschaft mit billigen Nahrungsmitteln aus Bundeswehrbeständen kurz vor dem Verfalldatum zu versorgen.
Für die leitenden Angestellten gibt es noch leistungsbezogene, das heißt am Ertrag orientierte, Gehaltszulagen, obgleich die KfW etwa im Bereich Entwicklungsgeschäft gar kein Risiko kennt. Denn über den Umsatz entscheidet der Bundestag, der im Bundeshaushalt jedes Jahr die Höhe der Kapitalhilfekredite, Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) genannt, an die Dritte Welt festlegt. Davon streicht die KfW, die diese Kredite verwaltet, einige Prozente ein, zuerst eine Provision für die Zusage eines Kredits an ein Nehmerland und dann noch mal eine Provision für die Kreditbearbeitung mit dem Beginn der Auszahlung. Brennt ein Kredit an, das heißt gerät ein Kreditnehmerland in Zahlungsschwierigkeiten, was in den letzten Jahren immer häufiger vorkommt, dann wird das von der Bundesregierung voll abgedeckt, sei es durch Umschuldungen oder sogar durch Forderungsverzicht wie im Falle der ärmsten Entwicklungsländer (LDC). Für Sonderleistungen bei ihrem Entwicklungsländerkreditgeschäft, zum Beispiel technische Vorstudien für die Projektprüfung, erhält die KfW darüberhin aus Zuschüsse der Bundesregierung. Diese Zuschüsse sind mittlerweile auf rund 800 Millionen DM angewachsen.
Seit fast 40 Jahren verleiht die KfW – zuerst mit Geldern des Marshall-Plans (ERP) – zinsvergünstigte längerfristige Darlehen an bundesdeutsche Unternehmen. Darüberhinaus finanziert sie Exporte von deutschen Investitionsgütern und Schiffen sowie Flugzeugen (Airbus), darunter auch nach Südafrika. Im vergangenen Jahr waren das Kredite in Höhe von DM 32,8 Millionen DM, 1985 über 70 Millionen DM. Demge genüber ist das Kreditvolumen beim direkten Entwicklungsländergeschäft mit 2,4 Milliarden DM im vergangenen Jahr bescheidener, aber „arbeitsaufwendiger“. Über die Hälfte der Belegschaft ist hier busy, darunter allein 225 Ökonomen und 40 Ingenieure, nicht gezählt die zahllosen externen Fachberater und Consultings. Der Grund für diese Arbeitsintensität liegt hauptsächlich darin, daß die Entwicklungsländer möglichst wenig selbst entscheiden dürfen und zahlreiche Köche im Projektbrei rühren. Jedes Projekt, sei es ein Mammut- Unterfangen wie zum Beispiel ein Staudamm oder sei es ein Kleinprojekt wie eine Maismühle oder ein ländliches Gesundheitszentrum, sie alle durchlaufen eine lange Stufenleiter von Entscheidungen mit wechselnden Mitspielern auf allen möglichen Hierarchiestufen der Bürokratie, und das dann gleich zweimal, bundesdeutsch und beim Partnerland. Der Spießrutenlauf eines Projektes beginnt mit der Phase der Projektfindung (meist hat hier ein deutscher Lieferant Pate gestanden), der Projektauswahl und der Ausarbeitung technischer Durchführbarkeitsstudien. Der Höhepunkt der KfW-Arbeit ist dann die entwicklungspolitische Projektprüfung als Vorbereitung der Regierungsentscheidung, dem ein Regierungsabkommen, ein Kredit- bzw. Finanzierungsvertrag, ein Garantievertrag und ein Schiedsvertrag folgen. Schließlich muß auch noch das Projekt durchgeführt werden: Ausschreibungen, Auftragsvergaben, Auszahlungen, Rechnungsprüfungen, Fortschrittskontrollen, Abschlußprüfungen und Evaluierungen. Bei gegenwärtig rund 1.500 laufenden und fast ebenso viel abgeschlossenen Projekten der Finanziellen Zusammenarbeit können sich die KfW-MitarbeiterInnen kaum auf die faule Haut legen.
Die dominierende Stellung der KfW bei Kapitalhilfeprojekten hat sich lange Zeit so ausgewirkt, daß bei der Beurteilung von Projekten Bankerkriterien, die wirtschaftliche Rentabilität bzw. Cost-Benefit-Rate in direkt messbaren Geldgrößen im Vordergurnd standen. Entgegen einfacher Beteuerungen sind bis heute soziale Ziele nach dem Motto: „Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe“ oder jüngst die modisch hochgespielte „Umweltverträglichkeitsprüfung“ von Projekten, soziokulturelle Faktoren, „frauenrelevante Aspekte“, allerhöchstens eine Garnierung der Cost-Benefit- Rate. KfW-Mitarbeiter streiten zwar ab, daß sie ihre starke Stellung zur Bindung der FZ an Lieferungen bundesdeutscher Unternehmen nutzen. Unbeteiligt ist die KfW am Geschäft der Lieferbindungen gewiß nicht. Denn auch zu Zeiten, als die Bundesregierung die Lieferbindung ausdrücklich zugunsten internationaler Projektausschreibungen aufgehoben hatte, sank der Anteil deutscher Lieferungen an der FZ kaum unter 70 Prozent (gegenwärtig 86 Prozent). Bei den sogenannten Mischkrediten, einer Mischung aus FZ und marktgängigen KfW-Eigenmitteln, muß der deutsche Lieferant schon feststehen, bevor die KfW mit ihrer „entwicklungspolitischen“ Projektprüfung beginnen darf. Wie ernst die KfW die Entwicklung der Dritten Welt tatsächlich nimmt, kann man am Lieferanteil der Entwicklungsländer an FZ-Projekten ersehen, er liegt gerade bei vier Prozent.
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