: Japan vor heißer Lohnrunde
■ Gewerkschaften fordern aufgrund nach wie vor guter Wirtschaftslage zwischen sechs und sieben Prozent mehr plus Arbeitszeitverkürzung / Problembereich Stahl als Pilotbranche jetzt ungeeignet geworden
Tokio (dpa/vwd) - Japans Gewerkschaften wollen in der Lohnrunde dieses Frühjahrs Einkommenserhöhungen zwischen sechs und sieben Prozent und darüber hinaus Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen. Im diesjährigen „Shunto“, wie die Lohnkampf– Bewegung mit traditionellen Warnstreiks und großen Demonstrationen heißt, soll nach den Ankündigungen der Gewerkschaftsführer eine wesentlich härtere Gangart eingeschlagen werden als im vergangenen Jahr. Damals waren nur durchschnittliche Lohnerhöhungen von drei Prozent herausgekommen, die niedrigsten der Nachkriegszeit. Die Krise, in die ein großer Teil der exportabhängigen japanischen Industrie durch den hohen Kurs des Yen gegenüber dem Dollar geraten war, hatte die Erhaltung der Arbeitsplätze zum Schwerpunkt werden lassen. Inzwischen aber steht fest, daß es trotz der Erschwernisse im Außenhandel im laufenden Wirtschaftsjahr (bis 31.März) mindestens 3,5 Prozent reales Wirtschaftswachstum gegeben hat und daß die Steigerungsrate im kommenden Jahr nach allen Vorhersagen noch höher liegen wird. Toshifumi Tateyama, der Vorsitzende des erst im letzten No vember gegründeten „Gewerkschaftsbundes für den privaten Sektor“ (RENGO), hat die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmer zum Leitthema der diesjährigen Kampagne gemacht. In Japans zersplittertem Gewerkschaftswesen soll der RENGO, der bereits 5,5 Millionen Mitglieder hat, zum Kern einer künftigen Einheitsgewerkschaft werden. In den letzten Jahren ist die Mitgliederzahl bei den Gewerkschaften immer weiter zurückgegangen. Ein Hauptproblem ist auch in diesem Jahr, daß traditionell die Stahlarbeiter mit ihren Lohnabschlüssen zuerst dran sind. Früher hatten sie eine Lokomotivfunktion für die meisten anderen Branchen. In den letzten Jahren aber mußten sie sich wegen der weltweiten, Japan nicht aussparenden Stahlkrise meist mit kleinen Lohnzulagen zufrieden geben. Japans Arbeitgeber argumentieren, daß die japanischen Löhne, in US–Dollar gerechnet, bereits die höchsten der Welt seien. Das jedoch ist vor allem deshalb so, weil der Yen gegenwärtig gut doppelt so viele Dollar wert ist wie vor drei Jahren. Die japanischen Arbeitnehmer haben jedenfalls noch längst nicht den Lebensstandard ihrer amerikanischen Kollegen erreicht.
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