„Kein Kilogramm Eisen verläßt mehr das Werk“

Arbeiter und Angestellte blockieren die Zufahrtswege zum Maxhütte-Zweigwerk in Haidhof / Stahlkonzerne wollen Stillegung des Walzwerkes / Stahlarbeiter wollen eine Betriebsbesetzung nicht mehr ausschließen  ■ Von der Maxhütte Bernd Siegler

Zwei Lokomotiven stehen quer, die Bahngleise sind blockiert, nichts geht mehr im Maxhütte- Zweigwerk Haidhof. Seit sechs Uhr früh blockieren circa 400 Stahlarbeiter alle Zufahrtswege zum Walzwerk. Sie erwärmen sich am Mahnfeuer, stärken sich mit Stadtwurst und Bier. Auf Transparenten fordern sie den Erhalt des Stahlstandortes. „Kein Kilogramm Eisen wird das Werk Haidhof verlassen – weder mit der Bahn noch mit dem LKW“, kündigen die Streikenden an.

Was die Stahlarbeiter so erbost, ist die am Dienstag in München erfolgte Gründung einer Vorschaltgesellschaft zur Neuen Maxhütte. Zehn Monate nach dem Konkurs des größten Arbeitgebers der strukturschwachen Oberpfalz beteiligten sich damit die Stahlkonzerne Thyssen, Klöckner, Krupp, Mannesmann, Saarstahl und der Freistaat Bayern an dieser Gesellschaft, deren Aufgabe es ist, die Vorbereitungen für eine Auffanggesellschaft des Oberpfälzer Eisenwerks zu schaffen. Von derzeit noch 3.500 Arbeitsplätzen sollen nur 1.500 übrigbleiben. Als Voraussetzung nannten die Stahlkonzerne die Schließung des Walzwerkes in Haidhof mit 750 Arbeitsplätzen.

Was Bayerns Wirtschaftsminister Jaumann als „bedauerlichen, aus Markt-, Kapazitäts- und Rentabilitätsgründen unabänderlichen Schritt „ bezeichnet, stellt Betriebsratsvorsitzender Heinrich Schäffer als „gezielte Vernichtung gewinnbringender Arbeitsplätze in einer der ärmsten Regionen Europas“ dar. Das Zitat von Prof. Rösener, Sprecher der Thyssen AG, dient ihm als Beweis: „Das Werk Haidhof soll geschlossen werden, weil es einen lästigen Konkurrenten darstellt.“ „Herr Jaumann wird auf alle Fälle als Totengräber von Haidhof in die Geschichte eingehen“, ruft Schäffer der streikenden Belegschaft zu. Er verweist auf das Gutachten von Prof. Genosko (Universität Stuttgart-Hochheim), das einem eigenständigen Walzwerk Haid hof eine realistische Überlebenschance einräumt. 637 der derzeit 755 Arbeitsplätze könnten erhalten werden. Doch Bayerns Ministerpräsident Strauß hat abgewunken. Neuverhandlungen über Haidhof seien „illusionär“.

„Wir werden doch ganz klar politischen Interessen geopfert“, bekräftigt ein 50jähriger Stahlwerker, der seit 1965 in der Maxhütte gearbeitet hat. „Wir blockieren hier solange, bis sich Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft des Haidhofer Walzwerks ergeben“, fügt er kämpferisch hinzu. Schäffer weiß, daß „die Belegschaft zu allem fähig ist“. Eine Betriebsbesetzung sei daher nicht ausgeschlossen. Von den heute in München beginnenden Verhandlungen über die Maxhütte Neu erwarten die Stahlwerker nicht viel. „Sie nennen es Verhandlungen, obwohl bereits ein Kabinettsbeschluß für die endgültige Schließung von Haidhof in zwei Jahren vorliegt“, betont Schäffer.

„Wir lassen uns nicht mehr verarschen“ lauten denn auch die Kommentare am Werkstor. Noch zu genau ist den Maxhütte-Arbeitern in Haidhof die Stillegung des gewinnbringenden Kaltwalzwerkes mit 740 Arbeitsplätzen im April 1986 in Erinnerung. Auf Betreiben des Klöckner-Konzern wurde das hochmoderne Kaltwalzwerk stillgelegt, um die Stahlquoten dem unausgelasteten Werk in Bremen zuzuschanzen. „Wir sind nicht mehr bereit, zum Spielball kapitalistischer Interessen degradiert zu werden“, kündigt Schäffer an.

Während sich im Lauf des Tages die Bevölkerung der Aktion der Arbeiter und Angestellten anschließt, hält der Bürgermeister von Maxhütte-Haidhof, Hubert Humbs, die Stellung im Rathaus. Schon am Tonfall merkt man, daß ihm das Regieren keine Freude mehr macht. „Es ist katastrophal, wir verlieren damit die letzten Arbeitsplätze“. Der Satz „Wille schafft Werke“ unter der Rathausuhr hat hier seine Bedeutung längst verloren. Die Gewerbesteuereinnahmen der 8.000-Einwohner Gemeinde sind von einstmals 3,5 Millionen DM auf 600.000 zurückgegangen. Die genauen Arbeitslosenzahlen für seine Gemeinde kennt nicht einmal der Bürgermeister. Das könne man nicht aus dem Computer herausholen, zitiert Humbs den abschlägigen Bescheid des zuständigen Arbeitsamtes. Von der vielzitierten Ansiedlung von Ersatzarbeitsplätzen merkt der Bürgermeister bisher nichts. „Kein Unternehmen zeigt Interesse sich hier niederzulassen.“