Die DDR frißt ihre Kinder

Sechs Monate Haft für Vera Wollenberger /Die Mitbegründerin der „Kirche von unten“ wegen „Zusammenrottung“ verurteilt /DDR-PEN-Chef vergleicht Demos am Trauertag der SED mit Gotteslästerung  ■ Aus Berlin Clara Roth

Wegen ihrer Teilnahme am Kampfmarsch der SED zur Ehrung Rosa Luxemburgs muß die 35jährige Vera Wollenberger ein halbes Jahr in den Knast. Die Mitbegründerin der „Kirche von unten“ wurde gestern morgen als erste der mindestens elf inhaftierten Oppositionellen vom Ost-Berliner Stadtbezirksgericht verurteilt. Das Gericht befand die Regimekritikerin der „Zusammenrottung“ schuldig. Nach dem politischen Strafrecht der DDR ist bereits der „Versuch“ der Zusammenrottung mit bis zu zwei Jahren Haft zu bestrafen. Die DDR ist offenbar an einer schnellen Verurteilung aller Inhaftierten interessiert: Bereits heute beginnen die Prozesse gegen die drei Mitarbeiter der Umweltbibliothek, Bert Schlegel, Till Böttcher und Andreas Kalk. Auch sie sind wegen „Zusammenrottung“ angeklagt.

Nach Informationen aus Kirchenkreisen müssen mehrere Inhaftierte, denen Landesverrat vorgeworfen wird, mit noch drastischeren Urteilen rechnen, die DDR meint es mit dem absurden Spionage-Vorwurf gegen die Oppositionellen offenbar ernst. So wurde die gemeinsame Wohnung des inhaftierten Ehepaars Templin schon zum zweiten Mal penibel durchsucht. Die Stasi riß dabei Dielen heraus, schlitzte alle Betten auf und kratzte die Tapeten ab. Die Templins sind wie ihre Mitgefangenen Ralf Hirsch, Bärbel Bohley und Werner Fischer Mit glieder der „Initiative Frieden und Menschenrechte“. Landesverrat wirft die DDR auch dem Liedermacher Stephan Krawczyk und seiner Frau, der ebenfalls inhaftierten Regisseurin Freya Klier, vor. Gegen die Verhaftungen und die drastischen Gefängnisstrafen mehren sich unterdessen die Proteste in der DDR. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4