: Hindernisse der C-Waffen-Konvention
Nach der Null-Lösung bei den Mittelstreckenwaffen beginnt jetzt die Nachrüstung der C-Waffen / Ein möglicher und ähnlich kontrollierbarer Abrüstungsprozeß wie bei den nuklearen Pershing-Raketen ist bei den neuen binären C-Waffen unendlich viel schwieriger / Militärstrategen sehen in der Waffe eine ultimative Repressalie ■ Von Werner Dorsch
Ist Aufrüstung nötig, damit Abrüstung durchgesetzt werden kann? Nach 18jähriger Produktionspause werden seit Mitte Dezember 1987 in den Vereinigten Staaten wieder chemische Waffen hergestellt, nämlich der neuartige Typ von binärer chemischer Munition. Bei diesen Waffen entstehen die tödlichen Gifte – das sind zunächst Nervenkampfstoffe, wie sie bisher schon bekannt waren – aus relativ ungefährlichen Chemikalien und zwar innerhalb von Sekunden, jedoch erst nach dem Abschuß. Diese Änderung der Geschoßtechnik gegenüber den bisherigen C-Waffen, die fertige Gifte enthalten, hat eine Reihe von Konsequenzen, die so weit reichen, daß es gar nicht mehr so sicher ist, ob diese neuen Waffen auch wieder abgeschafft werden können.
Nach dem glücklichen Ausgang der Verhandlungen über Mittelstreckenraketen ist Hoffnung in die Welt gekommen: Die Fähigkeit zum atomaren Overkill kann von etwa dem 20fachen auf das 19fache zurückgeschraubt werden. Overkill, der Faktor menschlicher Dummheit, muß und kann ganz auf Null gestellt werden. Das wird, wenn überhaupt, nur mühsam und schrittweise gelingen. Angesichts der Heraklesarbeit, den atomaren Augiasstall auszumisten, sollte sich die Abschaffung der Giftwaffen aber gewissermaßen „mit links“ erledigen lassen.
Als Wichtigstes: Die Europäer müssen die neuen Giftwaffen ausdrücklich als „Streitkräfteziel“ der NATO akzeptieren und die Vereinigten Staaten um ihre Herstellung bitten. Die weiteren Forderungen: Die NATO muß sich auf Richtlinien für den militärischen Einsatz von C-Waffen einigen, die bisher ja ausschließlich in der Verfügung der Amerikaner standen. Außerdem sind dem Kongreß Pläne für die Stationierung der neuen C-Waffen in Europa vorzulegen.
C-Waffen Nachrüstung
Während des 1986er Wirtschaftsgipfels in Tokio kam es daraufhin zu folgendem Handel zwischen Reagan, Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher: Die Bundesrepublik sollte sich bei der NATO für die neuen Waffen als Streitkräfteziel stark machen. Dafür versprachen die Amerikaner, daß sie ihre alten Giftwaffen, die sie in der Bundesrepublik als einzigem fremden Land lagern, bis 1992 abziehen und die neuen Waffen nur mit Zustimmung der Bundesregierung ins Land bringen wollen. Von der Bundesregierung wurde dieses Abkommen, das nur in einem „Briefwechsel“ festgehalten ist, als Durchbruch der Besatzungspolitik gefeiert.
Die Zustimmung zu dem neuen Streitkräfteziel erfolgte in Brüssel am 22. Mai 1986, allerdings nicht auf der vom Kongreß vorgeschriebenen politischen Ebene der Außenminister, sondern nur der des Nordatlantikrates, und sie wurde ohne Vorbehalte nur von der Bundesrepublik, England und der Türkei erteilt. In Erfüllung einer letzten Auflage mußte Präsident Reagan am 18. Oktober 1987 dem Kongreß formell versichern, daß die „Produktion der binären C-Waffen im Interesse der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten und der Interessen der anderen NATO-Mitglieder notwendig“ sei. Nach dem Zeitplan des US-Kongresses durfte 60 Tage nach dieser Erklärung, also Mitte Dezember 1987, endgültig mit der Produktion begonnen werden.
Neue C-“Nachrüstung“ wie seinerzeit „Nachrüstung“ bei den Mittelstreckenwaffen – wiederholt sich das Muster? Steigen die Chancen für chemische Abrüstung oder schwinden sie? Die Antwort auf diese Frage muß für die alten und die neuen C-Waffen unterschiedlich ausfallen.
Der Schlüssel für Abrüstung heißt Kontrolle. In dem komplizierten Vertrag über die Abrüstung der Mittelstreckenraketen läßt sich nachlesen, bis in welche ungeahnte Tiefen bisheriger Militärgeheimnisse Kontrolle vordringen muß, wenn es um die Abschaffung einer ganzen Waffenkategorie geht.
Nichts ist aber schwieriger als die Kontrolle von Chemie. Chemikalien fallen weniger auf als Raketen. Allerdings haben sich die bisherigen Giftwaffen durch ihre herausragende Gefährlichkeit gewissermaßen selbst verraten: Die speziellen und isolierten Fabriken, die zu ihrer Herstellung erforderlich sind, die besonderen Sicherheitsvorkehrungen bei Transport und Lagerung lassen sich vor den modernen Mitteln der nationalen und internationalen Inspektion nicht verbergen. Die C- Waffen-Konvention muß die Beständevernichtung alter und die Nichtherstellung neuer Waffen garantieren können. Diese Aufgabe ist nur oberhalb einer bestimmten Mengenschwelle lösbar.
Damit ist folgendes gemeint: Niemand kann beispielsweise einen Chemiestudenten, der es darauf anlegt, daran hindern, einen Kampfstoff in Mengen von vielleicht ein oder zwei Litern herzustellen. Ebenso wenig läßt sich verhindern, daß extreme Gifte zu kriminellen oder terroristischen Zwecken mißbraucht werden könnten. Gott sei Dank ist das bisher noch nicht passiert!
Für militärische Zwecke werden dagegen Vorräte in einer ganz anderen Größenordnung, nämlich von bis zu einigen 10.000 Tonnen Kampfstoff, benötigt. Als Waffen, Bomben, Granaten und dergleichen machen diese Kampfstoffmengen noch einmal das Zehnfache, also um 100.000 Tonnen aus. Vorräte auch sehr weit unterhalb dieser Marge lassen sich, zumal wenn sie in speziellen Lagern untergebracht werden müssen, nicht verstecken. Deshalb kann Abrüstung funktionieren.
Nach 19 Verhandlungsjahren in Genf unter Beteiligung von 40 Nationen sind die erforderlichen komplizierten Verifikationsrituale einer globalen Ächtung der C-Waffen ausdiskutiert und weitgehend konsensfähig geworden. Zum Abschluß der C-Waffen- Konvention fehlt kaum mehr als der politische Wille. Der noch vorhandene Rest an Kontroversen sollte sich nach dem Vorbild der abschließenden INF-Verhandlungen von den Außenministern der USA und der UdSSR an einem Wochenende wegverhandeln lassen.
Bereits 1984 war genug internationaler Konsens vorhanden, um die C-Konvention wagen zu können. Seitdem wurden die Verhandlungen durch die Problematik der näherrückenden Binärwaffen eher verunsichert, als sie durch neue Zugeständnisse (vor allem in der Frage der Vor-Ort- Kontrolle) gefördert werden konnten. Mit jeder der neuen Giftgranaten, die seit Dezember produziert werden, schwindet die Chance auf Einigung zwischen den Supermächten.
Die Sowjetunion, die vor Jahren nicht einmal den Besitz von C- Waffen zugegeben hatte, führte Ende 1987 vor den TeilnehmerInnen der Genfer Abrüstungskonferenz 19 Typen ihrer chemischen Munition vor sowie eine Methode zur Vernichtung von Nervenkampfstoffen. Die UdSSR hat weiterhin ihre Verweigerungshaltung in Fragen der Vor-Ort- Kontrolle revidiert und kürzlich sogar als erste Nation den Umfang ihres C-Waffenpotentials angemeldet. Es sollen maximal 50.000 Tonnen Kampfstoffe sein, etwa die gleiche Menge, die auch für die USA geschätzt wird. Von den USA waren auf Grund der traditionell offeneren Informationspolitik Daten über C-Waffen schon länger bekannt: Waffentypen, Lagerstandorte und mehrere zum Teil noch in Erprobung befindliche Technologien zur Vernichtung dieser Waffen. Strikt geheim gehalten wird nur, was mit amerikanischem Giftgas in der Bundesrepublik zusammenhängt.
Schon 15 Länder besitzen Binärwaffen
Ein ernstes Problem für Abrü stung ist die zunehmende Weiterverbreitung oder Proliferation der C-Waffen. Nach amerikanischen Angaben ist bei vier Staaten der Besitz von C-Waffen sicher: Frankreich – das seit 1987 ebenfalls und vermutlich auch schon mit binären Waffen „nach“rüstet –, Irak, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten. Elf weitere Staaten werden verdächtigt, daß sie über solche Waffen verfügen: Ägypten, Äthiopien, Burma, China, Israel, Nord-Korea, Libyen, Syrien, Taiwan, Thailand und Vietnam. Als Schwellenländer für den Erwerb der „Atombombe des kleinen Mannes“ werden weiterhin der Iran und Süd- Korea eingeschätzt.
Proliferation ist wie eine Zeitbombe und behindert Abrüstung. Ein spezieller Aspekt ist hier der Waffenhandel mit Anlagen und Grundstoffen zur Produktion von C-Waffen. Hier haben offenbar in jüngster Zeit und im Zusammenhang mit dem Irak westdeutsche Firmen den schlimmen Ruf der Deutschen als Lieferanten für Giftgas erneut bestätigt.
Das vertrackteste Abrüstu Fabriken erforderlich wie noch bei den „Fertig“-Kampfstoffen. Obwohl sich auch der Zusammenbau der Binärgranaten vermutlich „verdeckt“ abwickeln läßt, benutzen die Amerikaner dafür derzeit noch eine eigens errichtete Fabrik im Pine Bluff Arsenal in Arkansas. Binärwaffen enthalten keinen Kampfstoff, sondern dieser entsteht erst nach dem Abschuß einer Waffe aus bis dahin getrennten und verhältnismäßig ungefährlichen Chemikalien. Beispielsweise ist eine Komponente der Binärgranate mit dem Nervenkampfstoff Sarin, die derzeit gerade produziert wird, Isopropanol. Dieser Alkohol, der auch in Kosmetika verbreitet ist, kann weder kontrolliert noch verboten werden. Weiterhin läßt sich den erwähnten Haubitzengranaten mit dem in der NATO verbreiteten Kaliber 155 mm höchstens an der Beschriftung ansehen, ob sie für Giftgas bestimmt sind. Sie müssen nicht einmal in speziellen Lagern untergebracht werden wie die alten C-Waffen, denn der zweite Kanister mit dem Alkohol wird aus Sicherheitsgründen getrennt von der Granate geführt und erst unmittelbar vor einem geplanten Abschuß in diese eingesetzt. Daher sind auch die Transport- und ebenfalls die Umgangsrisiken im Vergleich mit den alten Waffen weitgehend entschärft.
Es war also wohl doch kein so gutes Geschäft, das die deutschen Spitzenpolitiker 1986 von Tokio mit nach Hause brachten. Die Bi närwaffen werden produziert, gleichzeitig hat sich das Interesse der Amerikaner, über C-Abrüstung zu verhandeln, spürbar abgekühlt. Was die Deutschen seinerzeit einhandelten, hat den Glanz verloren: Inzwischen ist es nämlich fraglich geworden, ob die alten Giftwaffen überhaupt noch aus der Pfalz abtransportiert werden können. In einer Studie des Pentagon und amerikanischer Umweltbehörden wurde kürzlich hinsichtlich der in den USA befindlichen Lager festgestellt, daß Transporte zur Vernichtung alter C-Waffen zu riskant sind. Die Waffen sollen in jedem der acht US-Lager „vor Ort“ vernichtet werden. Dazu mußte der amerikanische Zeitplan – Vernichtung bis 1994 – allerdings revidiert werden: Dort soll es zwei bis 16 Jahre länger dauern. Die Vernichtung von C-Waffen ist in den USA auch unabhängig von Abrüstung erforderlich, weil der Kongreß die Produktion neuer an die Vernichtung alter C-Waffen gebunden hat. Es ist nicht bekannt, wie weit hier bei der Neuproduktion „überzogen“ werden darf. Vor allem ist über das Schicksal der C-Waffenlager in der Bundesrepublik nichts bekannt, weder ob sie bis 1992 geräumt werden können, noch auf welche Weise dies geschehen soll.
Da Binärwaffen bausteinartig aufgebaut sind, ist aber auch die zweite Tokioer Zusage, daß neue C-Waffen nur nach Zustimmung in die Bundesrepublik gebracht werden dürfen, eher eine Glaubensfrage. Wer kann bei dem verbreiteten Typ von Haubitzengranaten schon erkennen, ob, wo und wann Giftchemie im Spiel ist?
Es lassen sich aber auch offi ziöse amerikanische Aussagen anführen, darunter ein Staff-Memorandum, denen zufolge es für selbstverständlich gehalten wird, daß die Binärwaffen nach Europa gebracht werden, sobald sie zur Verfügung stehen (vgl. taz vom 18.4.1986).
Ende klassischer Abrüstung
Außenminister Genscher tritt derzeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit für eine Beschleunigung der C-Waffen-Konvention ein. So positiv seine Äußerungen sind, sie erinnern an den Dieb, der zur Ablenkung ruft „haltet den Dieb“: Der Minister und Kanzler Kohl sind für das Aufkommen der Binärwaffen mitverantwortlich. Sie haben wider besseren Wissens die dringlichen Warnungen vor den neuen Giftwaffen, die amerikanische Senatoren seit 1982 an die Europäer richteten, in den Wind geschlagen. Ohne die deutsche Entscheidung zugunsten der Binärwaffen wäre es in den Vereinigten Staaten kaum zu der Produktion gekommen und damit auch nicht zu dem erneuten Stocken der Abrüstungsverhandlungen. Der Fehler von internationaler Tragweite ist nur dadurch zu korrigieren, daß die Bundesregierung rasch und unmißverständlich erklärt, daß eine Stationierung neuer C-Waffen auf dem Boden der Bundesrepublik unter keinen Umständen in Frage kommen wird. Die Fortsetzung der Produktion wäre dann für die Vereinigten Staaten erklärtermaßen nicht mehr wirtschaftlich, weil militärisch nutzlos.
Vielleicht wollen die Amerikaner mit der Binärproduktion – die sie in fast schon demonstrativer Offenheit, in noch nicht zu großem Umfang und mit nur einem Munitionstyp mit Reichweiten unterhalb von 30 km jetzt begonnen haben – der Welt folgende Lektion erteilen: Mit dem Aufkommen von Waffen, die sich nicht mehr ausreichend kontrollieren lassen, ist die Möglichkeit für klassische Abrüstung zu Ende. Da das Binärprinzip kein technisches Geheimnis ist, spielt es weiterhin keine Rolle, wer es zuerst realisiert. Was ist diesem Fatalismus entgegenzusetzen?
Die Chance für chemische Abrüstung ist noch nicht vertan, sie ist aber geringer geworden, und – vor allen Dingen – es bleibt nicht mehr viel Zeit! Die C-Konvention muß jetzt beschlossen werden, bevor sich die US-Lager mit Binärwaffen füllen! Wie C-Abrüstung im Detail funktionieren muß, ist in Genf längst abgesprochen. Es kann nur nützlich sein, daß die Staaten gegenseitige Kontrollen zulassen müssen bis hinein in Bereiche, die selbst für die eigenen Bürger stets tabu waren. Denn umso realistischer die Basis der gegenseitigen Einschätzung wird, desto weniger können aufgeblasene Feindbilder die Realitäten verdecken. Auf dem ungewöhnlichen Umweg über Kontrolle kann Vertrauen sogar gebildet werden. Abrüstung ist auf eine Mischung von Kontrolle und Vertrauen angewiesen. Bei der Kontrolle von C-Waffen liegen die kritischen Mengen für mögliche verbotene Aktionen wesentlich höher als bei atomaren Waffen. Dort können einige übersehene Gefechtsköpfe zum Problem werden. Bei den C-Waffen geht es um viele Tonnen. Die C-Waffen- Konvention muß aber jetzt beschlossen werden, damit der mühsame und langjährige Prozeß der Waffenvernichtung endlich in Gang kommt. Nur aus der praktischen Vernunft, die sich bei der internationalen Zusammenarbeit an der kontrollierten Waffenvernichtung ausbilden wird, kann die Autorität entstehen, die auch den Spuk der Binärwaffen wegwischt und ihn nicht mehr aufkommen läßt.
Der Einsatz von Giftgas hat in bisherigen Kriegen zu entsetzlichem Leid und Sterben geführt. Aber durch keinen dieser barbarischen Akte wurden jemals Schlachten oder gar Kriege entschieden. Dies gilt für den 1. Weltkrieg wie derzeit den Golfkrieg.
Offiziell wird der Besitz von C- Waffen damit entschuldigt, daß man sie angeblich als sogenannte „Repressalie“ brauche, um einen eventuellen Angriff mit ebensolchen Waffen „abschrecken“ zu können. Nur der Ersteinsatz im Kriege (und aus diesem Grund nicht auch die polizeiliche Verwendung) ist nach dem Genfer Protokoll von 1925 verboten. In den letzten Jahren haben aber Befürworter der C-Waffen immer wieder angeführt, daß man sich damit besondere militärische Vorteile verschaffen könne. Beispielsweise könnte auf einem fremden Flugplatz, den ein Aggressor im Zuge der sogenannten „Vorwärtsverteidigung“ einnehmen und selbst nutzen möchte, zuvor alles Leben ausgelöscht werden. Der US-Kongreß selbst hat 1985 eine Studie in Auftrag gegeben, mit der ermittelt werden sollte, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Häfen, Flugplätze und Kommandozentren auf dem Gebiet der europäischen NATO-Partner gegen chemische Angriffe zu schützen.
Eine noch bedenklichere Vorstellung der Befürworter ist die, daß sich im Chaos eines Krieges eine Eskalationsfolge der Waffenarten einhalten ließe – nämlich in der Reihenfolge konventionelle/ chemische/atomare Waffen. Dem Giftgas wird dabei die Aufgabe zugeschrieben, die Hemmschwelle vor Atomschlägen erhöhen und auf diese Weise die mögliche Ausuferung eines lokalen zum globalen thermonuklearen Krieg verhindern zu können...
Alle derartigen Pläne sind abenteuerlich und auch wider militärische Erfahrung und Vernunft – auch wenn die neuen binären C- Waffen ausdrücklich gefordert wurden, um für riskante Strategien gerüstet zu sein.
Die Wirkung chemischer Waffen, der alten wie der neuen, ist einfach schon deshalb fragwürdig, weil moderne Truppen dafür ausgerüstet und trainiert werden, daß sie sich schützen können. Soldaten brauchen außer Gasmasken eine Vollschutzkleidung. Die modernen Nervenkampfstoffe töten ja bereits durch Hautkontakt, so wie Insektizide, von denen sie abstammen, Insekten vernichten. Bei den Truppen gibt es weiterhin gasdichte Fahrzeuge, Entgiftungseinrichtungen und eine begrenzte medizinische Versorgung. Soldaten werden durch die Schutzkleidung bei ihrem Handwerk zwar behindert, die Ausrüstung schützt sie aber weitgehend vor einem C-Angriff, es sei denn, sie werden von ihm überrascht.
Für die Zivilbevölkerung gibt es dagegen keinen Schutz, und Schutz läßt sich – zumindest unter den geostrategischen Gegebenheiten im zentralen Mitteleuropa – auch nicht schaffen. Daher rechnet auch die Bundeswehr damit, daß bei einem möglichen chemischen Krieg in Europa bis zu 98 Prozent der Opfer Zivilisten sein würden. Auch als Repressalie morden C-Waffen Zivilisten und bleiben militärisch obsolet. Sie sind von allen Waffen die unsinnigsten!
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