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Mitbestimmung: Wenig Chancen für Recycling

SPD-Programmdiskussion zur Wirtschaftsdemokratie zeigt weitgehend Hilflosigkeit / Problemanalyse von Rechtsaußen  ■ Von Mechthild Janssen

Oskar Lafontaine, der Vorsitzende der SPD-Programmkommission, hatte eingeladen, und eine ganze Reihe SPD-Prominenz kam am 29. Januar zur „Programmwerkstatt: Demokratisierung der Wirtschaft“. Eine ausgewogene Reihe von Gästen nahm den sogenannten Irseer Entwurf auf den Prüfstand.

Entschiedene Kritiker sozialer Marktwirtschaft waren nicht auf die Einladungsliste geraten. Ungeniert offerierte die SPD „Partnerschaftsprogramme“, während in der strukturkrisengebeutelten Realität davon wenig zu merken ist – trotz Montan-Mitbestimmung und Mitbestimmungsgesetz von 1976. Unverblümt erklärten die anwesenden Repräsentanten der Unternehmerseite, überhaupt kein weiteres Hineinregieren in ihre Befugnisse dulden zu wollen.

NRW-Minister Christoph Zöpel eröffnete die Versammlung vorwiegend jung- und mitteldynamischer Männer, bei denen die wenigen anwesenden Frauen bevorzugt moderieren durften. Zielorientierung der SPD sei „Effizienz der Wirtschaft und Demokratie“. Die SPD will „Markt und Staat, die Vorteile beider nutzen und die Nachteile beider verhindern“. Effizienz der Wirtschaft müsse „korrigiert“ werden im Hinblick auf Vollbeschäftigung, ökologisches Gleichgewicht und Verteilungsgerechtigkeit. Demokratie diene dabei der „Abwehr von Vermarktung“ und „Mitwirkung“ der Arbeitnehmer.

Der DGB-Vorsitzende Ernst Breit versicherte, er halte eine „demokratische Organisation unserer Wirtschaft für möglich und sinnvoll“. Bei der Mitbestimmung gehe es im Kern darum, „die sozialen und beruflichen Interessen der Arbeitnehmer, die arbeitsmarktpolitischen, regionalen und ökologischen Gesichtspunkte in die Unternehmenspolitik zu integrieren und mit den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten im Rahmen des Möglichen zum Ausgleich zu bringen“. Der Mitbestimmungspraxis sei keine Entscheidung vorzuwerfen, die den Unternehmen geschadet hätte.

Es war bemerkenswerterweise Richard Löwenthal, Theoretiker der Parteirechten, der neue Fragen an das Problem Demokratisierung gestellt hat. Die Nuklearproblematik sowie die Folgen der neuen Technologie für das Sozialgefälle ließen ihn eine andere Rolle der Arbeitnehmer in der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen fordern.

Hans-Ulrich Klose, SPD- Schatzmeister, faßte zusammen, früher hätten die SPD-Vorschläge als „Reparatur im Nachhinein“ angesetzt, das neue Zukunftsprogramm wolle von Anfang an gestaltend eingreifen. Die SPD sei nicht gegen, sondern „für eine neue soziale Marktwirtschaft“. Mitbestimmung sei vor diesem Hintergrund auch eine Produktivkraft, die die Akzeptanz schwieriger Entscheidungen erhöhe.

Auf die Fragen und Entwürfe der wenigen Betriebsräte, die zu Wort kamen, wurde nicht näher eingegangen. Diese schienen eher ein Bühnenrequisit als hauptbetroffene Akteure von „Demokratisierung“ zu sein.

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