Beginn eines griechisch-türkischen Frühlings?

Skepsis in Athen, Begeisterung in Istanbul über das Treffen zwischen Griechenlands Premier Papandreou und seinem türkischen Amtskollegen Özal / Auch die türkische Opposition äußert sich befriedigt / Griechenlands Konservative sind enttäuscht  ■ Von Ö.Ezeren und G.Schwarz

Instanbul/Athen (taz) – Unterschiedliche Reaktionen hat das Treffen zwischen dem griechischen Premier Papandreou und seinem türkischen Amtskollegen Özal in den Heimatländern hervorgerufen. Der erste „Gipfel“ zwischen den verfeindeten NATO-Staaten seit zehn Jahren löste zwar keines der Probleme, in Istanbul ist man sich aber sicher, daß die Beziehungen nun nachhaltig verbessert werden.

„Hand in Hand für den Frieden – das Eis ist geschmolzen.“ So urteilte die größte türkische Tageszeitung Hürriyet in ihrer gestrigen Ausgabe über das Treffen des griechischen und türkischen Ministerpräsidenten im Schweizer Davos. Fast ohne Ausnahme wertete die türkische Presse wie die parlamentarische Opposition das Treffen als großen Schritt vorwärts. Es sei der Beginn eines griechisch-türkischen Frühlings, vergleichbar den freundschaftlichen Beziehungen in den dreißiger Jahren zwischen Venizelos und Ata türk. Die Neun-Punkte-Erklärung von Davos sieht die Einrichtung zweier bilateraler Kommissionen vor. Eine Kommission soll die Problemfelder, wie die Ägäis und die Situation der Minderheiten diskutieren, die andere Möglichkeiten der bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Tourismus und Kultur bestimmen. Fest steht, daß demnächst türkische Bankiers nach Griechenland reisen werden. Außerdem verpflichten sich die Ministerpräsidenten, einmal jährlich zusammenzukommen. Die Revision der chauvenistischen Schulbücher in beiden Ländern ist bereits jetzt abzusehen.

Nicht Gyros und Ouzo, sondern Döner und Raki habe Papandreou auf dem Cocktail zu sich genommen, er habe sogar vom „türkischen Kaffee“ geredet, meldeten die türkischen Tageszeitungen nicht ohne Stolz. Nur die Querulanten der islamisch-fundamentalistischen Bewegung machten gegen das Treffen von Davos mobil. „Die Griechen verstehen keine friedlichen Worte. Man darf ei nem griechischen Ministerpräsidenten nicht glauben, weil sie in der Politik mit heimtückischer List betrügen“, meint der stellvertretende Vorsitzende der Wohlfahrtspartei RIZA ULUCAK.

Demgegenüber herrscht in Athen Uneinigkeit über die Bewertung des Gipfels. „Die Bedingungen zum Dialog werden von der Türkei gestellt“ betitelte dort die konservative Tageszeitung Vradini ihren Aufmacher und folgerte: „Ein Sieg für Andreas Papandreou war das Davosschen Treffen nicht.“ In dieselbe Kerbe schlug auch der Kommentar des Vorsitzenden der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia, Konstantin Mitsotakis: er werde zwar den neueingeschlagenen Kurs der Regierung unterstützen, das nun in Davos erreichte Versprechen, jegliche feindlichen Aktionen zu vermeiden, sei allerdings nichts Neues, das hätte auch die konservative Regierung vor 1981 erzielt.

Nüchternheit herrscht auch in den Regierungszeitungen: die zwei wichtigen Probleme – die Zypernfrage und der Konflikt um die Ägäis – seien in die Schublade gelegt worden, stellte die links-liberale „Elefterotypia fest.

Ohne Vorbehalte wird die „neue friedliche Phase“ in den Beziehungen beider Länder hingegen von den Kommunisten unterstützt. Die Annäherung der Regierungschefs betrachten sie als Bestätigung ihrer eigenen Politik. Daß im gemeinsamen Kommunique „fremde Kreise“ beschuldigt werden, „den griechisch-türkischen Konflikt ausgenützt zu haben“, dürfte ihren Standpunkt stärken. Dies vor allem deshalb, weil Papandreou durchblicken ließ, daß damit hauptsächlich die USA gemeint waren.