: Die „stärkste der Parteien“ ist wieder da
■ MLPD in Rheinhausen: Eine kleine Partei mit großer Klappe steigt wie ein Phönix aus der Asche
„Wenn Cromme (Krupp-Chef, d.R.) nach zwei Monaten Nein sagt, sind wir genau da, wo wir am Anfang gestanden haben. Wenn wir die Zeit verstreichen lassen, werden wir uns nicht mehr rühren können.“ Deshalb, so des Redners Kritik am Betriebsrat, müsse der Streik forciert werden. Dafür bekommt der Mann der MLPD auf der Betriebsversammlung der Rheinhausener Krupp-Hütte Applaus. Ein paar Tage zuvor war es Klaus Arnecke, Mitglied des ZK der MLPD, der die Wahl einer unabhängigen Streikleitung gefordert hatte, ähnlich ergangen: statt brüske Ablehnung verhaltener Beifall. Wer bisher glaubte, die ML- Bewegung sei verstorben, wird in Rheinhausen eines Besseren belehrt. Sie atmet noch und zwar wie ehedem im Bewußtsein, der Nabel der Welt zu sein. Wovor fürchten sich „die Monopole und ihre Massenmedien am meisten?“ Genau! „Vor der Entwicklung selbständiger Streiks in Verbindung mit dem wachsenden Einfluß der MLPD.“ Das hat jedenfalls die Betriebszeitung „Heisses Eisen“, die von der MLPD-Betriebsgruppe für die Stahlkocher von Krupp-Rheinhausen herausgegebe Darin hatte es geheißen, daß „ultralinke Grüppchen“ in Rheinhausen versuchten, „ihr Revolutionssüppchen auf dem heißen Zorn der Arbeiter (zu) kochen“. Eine kleine Fälschung – die flotten Schreiber der Betriebszeitung ersetzten „ultralinke Grüppchen“ schlicht durch MLPD – und schon stand der eigene Verein konkurrenzlos, stahlhart und bedrohlich da. Die Vorstellung von der süppchenkochenden MLPD sei aber „merkwürdig und weltfremd“, ließen Lenins Erben ihre Leser wissen, denn Einfluß habe die MLPD nicht wegen irgendwelcher Mätzchen erlangt, sondern der „konsequente Einsatz in den Gewerkschaften“ habe der Partei „Vertrauen und Achtung eines wachsenden Teils der Kollegen eingebracht und ihre Reihen gestärkt“. Grund zur Furcht besteht für „die Monopole“ zwar nicht, aber ganz ohne Einfluß ist die MLPD, gegen deren Mitglieder der IG Metall-Vorstand mit Ausschlußverfahren vorgeht, in Rheinhausen in der Tat nicht. Veranstaltungen der Partei sind gut besucht, und bei den geschickten öffentlichen Auftritten in der Krupp-Kantine schneiden die MLPDler von allen Kleinstparteien noch mit Abstand am besten ab. Im Gegensatz zu den Grünen, deren Verankerung im betrieblichen Gewerkschaftskader nahe Null liegt, sitzt die MLPD selbst im Krupp-Betriebsrat mit am Tisch. Für den in Rheinhausen wegen sei die Gewerkschaftsbürokratie: das Programm der Klassenzusammenarbeit durch Spaltung der Arbeiterklasse!“
Scharfe Töne fand die MLPD-Zeitung „Heisses Eisen“ am Anfang des Kampfes für den Rheinhausener Krupp-Betriebsrat. Dessen „flexible Streiktaktik“ mache „Rheinhausen zum zweiten Hattingen“. Der Betriebsrat warte nur auf den richtigen Zeitpunkt, um auf ein Angebot von Thyssen und Mannesmann zur Übernahme eines Teils der Krupp-kollegen einzugehen, hieß es. Der Betriebsratsvorsitzende Manfred Bruckschen habe „dieses Konzept schon in seiner Schublade liegen“. Die Anwürfe gipfelten in dem Satz: „Der Betriebsrat ist weder willens, noch in der Lage, den Kampf richtig zu führen.“
Wie man einen Kampf führt, hat für die MLPD der „gut organisierte britische Bergarbeiterstreik“ gezeigt. „Mit jeder Woche gewann dieser Kampf an Stärke.“ Wie der „gut organisierte“ Kampf in England ausgegangen ist, sagt die MLPD-Betriebszeitung ihren Lesern nicht; nur daß die Hattinger verloren haben, das kann man gleich mehrfach lesen....“ein Bankrott der reformistischen und revisionistischen Taktik...“
Die perfide Stimmungsmache gegen den Rheinhausener Betriebsrat, der in seiner Mehrheit eben gerade nicht in der Tradition von rechten SPD-Betriebsratsfürsten agiert, hätte bei der großen Blockade am 10.12. in Rheinhausen fast zu einer Selbstzerstörung des Werkes geführt. Weil manche Blockierer sich weigerten, entgegen der Anweisung vom Betriebsrat, die Notbesatzung zum Krupp-Werk durchzulassen, drohte das betriebseigene Kraftwerk in die Luft zu fliegen.
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