: Ersatzjobs nicht in Sicht
„Das kurzfristige Ziel der Beschäftigungsgesellschafen ist es, für die von Entlassung bedrohten Stahlarbeitnehmer das Arbeitsverhältnis und das Einkommen zu sichern, neue Qualifikationen zu vermitteln...(und) mittelfristig den Übergang aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis zu einem zukunftsichernden Ersatzarbeitsplatz zu ermöglichen.“ In der „Frankfurter Vereinbarung“ vom Juni 1987, so heißt es dann weiter in dem strukturpolitischen Memorandum des IG Metall-Vorstandes, „haben sich die Stahlunternehmer verpflichtet, auch die IG Metall-Konzeption der Beschäftigungsgesellschaften zu berücksichtigen“. Was ist aus diesem Versprechen – mehr war es nicht – ein halbes Jahr nach Unterzeichnung der „Vereinbarung“ zwischen der IG Metall und den Stahlindustriellen geworden? Die heutige Bilanz fällt für die IG Metall bitter aus. Statt, wie zugesagt, „primär Ersatzarbeitsplätze ins besondere in den betroffenen Regionen zu schaffen“, haben die Stahlindustriellen das gemacht, was immer im Montanbereich angesagt war: „Sozialverträglicher“ Arbeitsplatzabbau – ohne jeden Ersatz. Dabei wurde möglicherweise gegen den Geist der „Frankfurter Vereinbarung“, nicht jedoch gegen die schriftlich fixierten Pflichten verstoßen. Denn dort heißt es auch, daß, soweit die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen „nicht kurzfristig realisierbar ist, alle Möglichkeiten zur sozialverträglichen Gestaltung in Anspruch genommen werden müssen“. Gegenwärtig geschieht genau dies.
Der Größte der Branche, der Thyssen-Konzern, weigert sich beharrlich, die Arbeitsplatzverluste auf der Thyssen-Henrichshütte in Hattingen mittels einer Beschäftigungsgesellschaft am Ort aufzufangen. Otto König, IGM- Ortsbevollmächtigter, hat die Erfahrung gemacht, daß „Thyssen in dieser Frage total abblockt“. Diejenigen, die nicht über Frühverrentung und Abfindungen ausscheiden, versetzt Thyssen zur Zeit konzernintern nach Krefeld und Duisburg. Zwar kündet vor dem Hattinger Thyssen-Verwaltungshaus ein massives Schild von der „Beschäftigungsgesellschaft Thyssen-Henrichshütte“, doch zu mehr als einer einseitig von den Betriebsräten vorgenommenen, symbolischen Gründung hat es nicht gereicht. Dennoch sind zur Zeit unabhängig von Thyssen Betriebsräte, die örtliche IGM und das Münchner Imo-Institut dabei, Möglichkeiten für alternative Produktlinien zu erforschen. Ob Thyssen allerdings auf solche Vorschläge eingehen würde, weiß niemand zu sagen.
Ein bißchen „freundlicher“ schien die Situation – vor dem Rheinhausener Knall – im Bereich der Krupp-Stahl AG. Auf einer Pressekonferenz im September in Düsseldorf lobte der IGM- Vorsitzende Franz Steinkühler ausdrücklich den Krupp-Vorstand, der im Gegensatz zu Thyssen, so Steinkühler damals, noch am ehesten die „Frankfurter Vereinbarung“ im gewerkschaftlichen Sinne angepackt habe. Eine Vereinbarung mit dem Krupp- Betriebsrat sah die Gründung einer Qualifizierungsgesellschaft (Beteiligung:75 Stadt Duisburg) vor, die das sogenannte Optimierungskonzept, das auf einer Endbelegschaft von 4.200 für Rheinhausen aufbaute, begleiten sollte. Zu der „Veinbarung zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen“, die von dem Krupp-Vorstand und dem Gesamtbetriebsrat am 10. 9. 1987 unterzeichnet wurde, gehörte ebenfalls die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die „seitens des Gesamtbetriebsrates und der Unternehmensleitung beschickt wird“ und deren Aufgabe es sein sollte, „für den Vorstand Vorschläge für Ersatzproduktionen und Ersatzarbeitsplätze zu erarbeiten“. Wenige Tage später wurde dann bekannt, daß Krupp hinter dem Rücken von IGM und Betriebsrat in Kooperation mit Thyssen und Mannesmann die Zerschlagung von Rheinhausen plant. Und damit war auch der „positivste Ansatz“ (Steinkühler) zur Umsetzung der „Frankfurter Vereinbarung“ erledigt.
Die anderen Stahlkonzerne machen sich nicht einmal mehr die Mühe, vorzugeben, Teile der „Frankfurter Vereinbarung“ im Sinne der IGM umsetzen zu wollen. Sie belassen es, wie Thyssen, in der Regel bei der alten Sozialplanpolitik. Mannesmann schickt sich sogar an, diesen Standard noch zu unterbieten. Alle Arbeitnehmer über 53 will Mannesmann in eine sogenannte „Kurzarbeiterabteilung“ versetzen. Zwei Jahre lang sollen sie dann zwischen 63 und 68 Prozent Kurzarbeitergeld vom Arbeitsamt bekommen. Mit 55 würden sie dann, wie alle Stahlkocher, über den Montanunionvertrag ausscheiden. Das Kurzarbeitergeld soll während der zwei Jahre auf 90 die beim endgültigen Ausscheiden jedem Stahlkocher zusteht, „ratenweise“ vorzieht. Auf diese Weise müssen die Stahlkocher ein Teil ihres „Gehaltes“ selbst zahlen. „Ganz schlimme Folgen gerade für jüngere Kollegen“, befürchtet der Mannesmann-Betriebsrat Klaus Richter, sollte diese geplante Vereinbarung tatsächlich Wirklichkeit werden.
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