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BRD als Endlager für Kritiker

■ Stephan Krawczyk und Freya Klier: „Wir haben die DDR nicht freiwillig verlassen“

Während bei Freunden und Sympathisanten in Ost-Berlin vor allem Verwirrung vorherrscht, haben Krawczyk und Klier bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt unmißverständlich klargestellt, daß die DDR-Führung ihnen keine Wahl gelassen hat: entweder eine lange Haftstrafe, oder ab in den Westen. Daß auch die Kirche der DDR die offizielle Version der freiwilligen Ausreise übernommen hat, deutet an, daß die Abschiebung der Symbole der Preis für die Freilassung der übrigen Gefangenen ist.

Sichtlich von den Anstrengungen der letzten Tage gezeichnet – so zwängten sich Freya Klier und Stefan Krawczyk gestern um viertel vor zwölf durch die Masse der Journalisten, die im Bruderhaus Nazareth der Bodelschwingschen Anstalten auf ihre Pressekonferenz warteten.

Als fünf Minuten Blitzlichtgewitter vorüber waren und Pastor Johannes Busch kurz eröffnet hatte, begann Stephan Krawczyk ruhig und langsam eine persönliche Erklärung der beiden in den Westen Abgeschobenen zu verlesen. „Wir haben die DDR nicht freiwillig verlassen“, lautete der erste Satz. „Unserem Wunsch, unverzüglich aus der Haft in die DDR entlassen zu werden, wurde nicht entsprochen. Unsere Alternativen waren: entweder Haftstrafen von zwei bis zwölf Jahren unter dem ungeheuerlichen Vorwurf landesverräterischer Beziehungen oder sofortige Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland.“

„So stellten wir – in einer extremen Zwangssituation – einen Antrag auf Ausreise“, fuhr Stephan Krawczyk fort und korrigierte damit die Aussage des Ost- Berliner Pastors Werner Braune, der Krawczyk, Freya Klier und ihre 15jährige Tochter Nadja zu sammem mit Bert Schlegel und Ines Czygullon am Tag zuvor in einem VW-Bus nach Bethel gebracht hatte. Natürlich hätten der Liedermacher und die Regisseurin freiwillig ihre Ausreise beantragt, hatte Braune im Namen der Abgeschobenen am Abend zuvor den Journalisten erklärt.

Krawczyk selbst dagegen sagte gestern in der persönlichen Erklärung: „Eine freie Entscheidung über Bleiben oder Gehen ist aber nur außerhalb von Gefängnismauern möglich. Wir fordern, in die DDR zurückkehren zu können, um unsere Arbeit als Künstler dieses Landes fortzusetzen. Wir fordern zudem die unverzügliche Haftentlassung unserer Freunde in die DDR, damit sie frei und ohne Zwang entscheiden können, in welchem Land sie leben wollen.“

Er und seine Frau Freya Klier seien sehr betroffen durch die Ereignisse der letzten Tage, fügte der Liedermacher noch hinzu und bat, keine weiteren Fragen zu stellen. Er wolle keine weiteren Erklärungen abgeben. Wieder umringt von einem Pulk von Journalisten wurden er und Freya Klier, die die ganze Zeit schweigend neben ihm gesessen hatte, aus dem Bruderhaus heraus in eine nahe Tiefgarage geleitet und fuhren sofort davon.

Die beiden Zwangsausgereisten hatten die Nacht im Haus von Diakon Martin Braune verbracht, das im Quellenhof liegt, einer kleinen Siedlung der Bodelschwingschen Anstalten für Nichtseßhafte. Das Haus des Pastors, eines Bruders von Werner Braune, der die Abgeschobenen aus der DDR gebracht hatte, wurde bis spät in die Nacht erfolglos von einem Trupp Journalisten belagert. Der Stern, der am Abend mit zwei Daimlern vorfuhr, hatte sogar Wolf Biermann als Unterhändler mitgebracht, um die Regisseurin und den Liedermacher unter Vertrag zu nehmen. Doch auch der saß nur eineinhalb Stunden im Auto herum.

Das Heim für Nichtseßhafte, der Quellenhof, in dessen Ruhe am Stadtrand plötzlich dieser Trubel einzog, wird von Diakon Martin Braune geleitet. Sein Bruder Werner steht der Stephanus-Stiftung in Berlin Weißensee vor, die die größte Einrichtung zur Betreuung Behinderter in der DDR ist. Schon der Vater der Brüder, Pastor Paul Gerhard Braune, hatte die zu Bethel gehörenden Hoffnungsthaler Anstalten in Lobetal bei Berlin geleitet und als engagierter evangelischer Christ im Faschismus gegen das Euthanasie-Mordprogramm gekämpft. Jürgen Voges

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