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Ein akzeptabler Mann?

■ Brecht-Feiern in Ost und West, Theatern, Universitäten, Buchverlagen und anderen moralischen Anstalten

Mit über dreißig Inszenierungen feiern die Theater der DDR das Jubiläum des Dramatikers:

Im „Brecht-Bayreuth“ und dem Walhalla aller linken Pädagogen aus Ost und West, dem Theater am Schiffbauer-Damm in Ost-Berlin, gedenkt man Brecht am 10.Februar mit einem Staatsakt, der Einweihung eines Denkmals und der Aufführung von Brechts „Mutter“, inszeniert vom Intendanten des Berliner Ensembles Manfred Wekwerth.

Dessen Wunschvorhaben allerdings, eine szenische Darstellung vom „Meti-Buch der Wendungen“, konnte nicht verwirklicht werden – bis die „verdienten Mörder des Volkes“ (wie Brecht Stalin im „Meti“ bezeichnet) auch in der DDR auf die Bühne kommen, muß aber nicht bis zum 100. Geburtstag des Klassikers dauern. Manfred Wekwerth jedenfalls ist optimistisch, daß das „Neue Denken“ auch einen „neuen Blick auf Bert Brecht“ eröffnen möge.

Zum Geburtstag liegen, als Gemeinschaftsproduktion der Verlage Aufbau und Suhrkamp, die ersten Bände einer „Großen Kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe“ vor, weiteren Stoff für kommende Germanisten-Generationen bietet die detaillierte Brecht-Biographie von Werner Mittenzwei, ein ebenfalls „gesamtdeutsch“ erschienenes Standardwerk.

Die Frage nach dem egomanischen Macho Brecht, wie er unter anderem in den – liebevollen – Aufzeichnungen seiner Freundin Ruth Berlau (im Vorjahr als Luchterhand-Taschenbuch herausgekommen) erscheint, wird auch in der DDR gestellt. Der jüngsten Neuerscheinung zum Thema Brecht, Sabine Kebirs Untersuchung „Ein akzeptabler Mann ? – Der Streit um Bert Brechts Partnerbeziehungen“ prophezeit die FDJ-Zeitung Junge Welt eine „Bestseller-Zukunft“.

In der Bundesrepublik, wo bei aller Brecht-Müdigkeit an den Universitäten dieser Autor neben Shakespeare auf der Bühne zu den meistgespielten zählt, und wo er in den Schulen Goethe als Schreckgespenst längst verdrängt hat (“brecht mit Brecht“, fordert die autonome Schülerzeitung Brechtmittel des Kreuzberger Brechtgymnasiums), wird außer in der Geburtsstadt Augsburg vor allem in West- Berlin gefeiert:

Eine Soiree findet am Geburtags-Abend im Schillertheater statt; nicht schlecht zu Brecht paßt, daß der Eintrittspreis von 10 Mark zur Unterstützung der Stahlarbeiter in Rheinhausen gedacht ist.

Die Schaubühne am Lehniner Platz veranstaltet einen Brecht-Abend mit Udo Samel und Alan Marks, der im Januar in Jerusalem und Tel Aviv uraufgeführt wurde. Eine Revue „Vom Schiffbauerdamm zum Sunset-Boulevard und zurück – Bertold Eugen Brecht 90 Jahre danach“ hat das Künstlerhaus Bethanien zum 10.Februar vorbereitet, getreu der Brechtschen Maxime, daß das „Theater keinen anderen Ausweis als den Spaß“ benötigt. mbr

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