: Späth im neuen Mekka für Handelsvertreter
■ Der baden-württembergische Ministerpräsident mit Wirtschaftsdelegation in Moskau
Stuttgart (dpa/taz) – Der baden- württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) ist am Sonntag nachmittag zu einem fünftägigen Besuch in die Sowjetunion gestartet. Unmittelbar vor seiner Abreise war Späth in Stuttgart noch mit Bundeskanzler Helmut Kohl zusammengetroffen. Ob der Kanzler Lothar Späth dabei zum unheimlichen Außen- und Wirtschaftsminister zweiter Klasse ernannt hat, wurde nicht bekanntgegeben.
Wenige Wochen nach dem spektakulären Moskau-Besuch von CSU-Chef Franz Josef Strauß wird auch der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Späth mit KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow zusammentreffen. Im Mittelpunkt der Reise werden wirtschaftliche Fragen stehen. Die Voraussetzungen für eine „wissenschaftliche, wirt schaftliche und technische Kooperation“ mit der Sowjetunion sind nach Späths Ansicht noch „nie so günstig“ gewesen wie jetzt.
Späth will nach weiteren Angaben des Stuttgarter Regierungssprechers Manfred Zach vor allem neue Möglichkeiten einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen baden-württembergischen und sowjetischen Unternehmen erkunden. Dabei gehe es insbesondere auch um eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Fachkräften für die Industrie und im Managementbereich. Späth, dessen Bundesland mit seiner Wirtschaft stark auf den Export ausgerichtet ist, hat sich schon früher, etwa mit einer Reise nach China, als prima Wegbereiter von neuen Märkten für die heimische Industrie erwiesen. Exporte „Made in Baden-Württemberg“ erreichen derzeit immerhin die Höhe von 90 Milliarden Mark, das ist ein Welthandelsanteil von 1,6Prozent – mehr als Schweden oder die Schweiz zu bieten haben. Angesichts von Sättigungsgrenzen bei etablierten westlichen Partnern und den erklärten Modernisierungsabsichten im Rahmen von Perestroika und Glasnost tut sich in der Sowjetunion für die Firmen aus dem „Musterländle“ genau zum richtigen Zeitpunkt ein Ersatz-Markt auf.
Der CDU-Politiker wird von einer 55köpfigen Delegation begleitet, zu der hochrangige Wirtschaftsführer wie der designierte Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags, Hans-Peter Stihl, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Daimler- Benz AG, Prof.Werner Niefer sowie der Vorstandsvorsitzende der Salamander AG, Franz Josef Dazert zählen. Die Salamander AG gehört zu den Pionieren für „Joint ventures“, Gemeinschaftsunternehmen von deutschen und sowjetischen Firmen. Bislang gibt es von baden-württembergischen und sowjetischen Firmen vier Joint ventures.
Auch die Daimler-Benz AG will offensichtlich ihre Zusammenarbeit mit der UdSSR verstärken. Nach Angaben von Konzernsprecher Matthias Kleinert, früher Mitarbeiter in der baden- württembergischen Staatskanzlei, will der stellvertretende Daimler-Vorstandsvorsitzende Prof.Werner Niefer die „Möglichkeiten zu einer weiteren wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ erkunden. Kleinert wies darauf hin, daß Daimler bereits seit Anfang der siebziger Jahre ein Büro in Moskau unterhält. Gegenwärtig seien in Moskau über 1.000 Daimler-Autos im Verkehr – meist als Diplomatenkutschen.
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