: Fragebogen zu Sonntagsarbeit
Berlin (taz) – Die Textilunternehmer haben sich in den letzten Wochen zusammen mit dem Chip- Hersteller IBM an die Spitze der Forderung zur Ausweitung der Sonntagsarbeit gestellt. „Von seiten der Arbeitnehmer“, so hieß es in einer Mitteilung des Arbeitgeberverbands Gesamttextil, „gibt es bisher keine Bedenken gegen die Sonntagsarbeit.“
Deshalb legt die Textilgewerkschaft den rund 220.000 Beschäftigten der Branche nun einen Fragebogen vor, auf dem zwischen den beiden Alternativen „Nein, ich will nicht am Sonntag arbeiten“ und „Ja, ich will“ gewählt werden kann. Bis zum 17.Februar läuft die Aktion der Gewerkschaft, die ausdrücklich nicht nur ihre Mitglieder befragen will, sondern alle Arbeitnehmer ihres Organisationsbereichs.
Zumindest für die Beschäftigten der Textilindustrie wird dann ein wenig klarer sein, was die Betroffenen selbst von dem erbitterten ideologischen Streit um die Sonntagsarbeit halten. Denn bisher wurden zwar Gutachten über die Sonntagsarbeit erstellt, aber die Betroffenen gefragt hat noch niemand.
So war der Münsteraner Wissenschaftler Jürgen Rinderspacher im letzten Jahr in einem von der IG Metall in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, daß das freie Wochenende für die Arbeitnehmer unverzichtbar sei. Es ist der einzige zusammenhängende Raum für familiäre und soziale Kommunikation. Die Metallgewerkschaft hat daraus den politischen Schluß gezogen, das lange Wochenende als Freizeitblock so lange als möglich gegen die Interessen der Unternehmer zu verteidigen.
Inzwischen geht es nicht nur um den freien Samstag. Der Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, Klaus Murrmann, warnte in einem Beitrag für die Dienstagausgabe der „Stuttgarter Nachrichten“ vor einer „Tabuisierung“ der Sonntagsarbeit.
In einigen Bereichen lasse sich die moderne Technik nur nutzen, wenn kontinuierlich gearbeitet werde. Als Beispiele nannte er die beiden derzeit kontroversen Bereiche Chip-Produktion und Textilindustrie. Mit der Verweigerung der Sonntagsarbeit werde über künftige Arbeitsplätze entschieden. Unterstützt wird Murrmann in dieser Ansicht von der FDP, deren sozialpolitischer Sprecher Dieter-Julius Cronenberg sich mit wolkigen Aussagen über die sich wandelnde moderne Welt hervortat.
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