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Waldheims Absolution kritisiert

■ Historiker–Kommission: Bundespräsident hat von „scheußlichen Massakern“ gewußt / „Wissen und Nichthandeln“ sei Schuld / USA lassen Waldheim auf der „Watch–list“

Wien(ap/Reuter) - Die Absolution, die der österreichische Staatspräsident Kurt Waldheim aus dem Bericht der Historikerkommission über seine Vergangenheit hergeleitet hat, ist bei den Verfassern des Berichts auf Kritik gestoßen. Waldheim hatte am Montag abend gesagt, durch den Kommissionsbericht werde seine persönliche Schuldlosigkeit bescheinigt. Gestützt hatte er sich dabei vermutlich vor allem auf eine Aussage des Kommissionsvorsitzenden Hans Rudolf Kurz ihm gegenüber, es habe ihm kein Verschulden strafrechtlicher Natur nachgewiesen werden können. Kurz präzisierte am Dienstag, er habe damit nur seine persönliche Meinung geäußert: „Schuld kann auch in Wissen und Nichthandeln bestehen.“ Das bundesdeutsche Kommissionsmitglied Manfred Messerschmidt lud Waldheim ein, „den Bericht noch einmal genau zu lesen“. Waldheim habe „Informationen über ganz scheußliche Massaker“ gehabt. „Er wußte, daß durch deutsche Evakuierungsmaßnahmen ganze Landstriche entvölkert wurden“, fügte Messerschmidt hinzu. Das israelische Mitglied Yehuda Wallach hielt es für möglich, daß der Bericht als Grundlage für die Ein leitung eines juristischen Verfahrens dienen könnte. Messerschmidt bezweifelte dies. Die beiden Koalitionsparteien Sozialisten und Volkspartei glänzten unterdessen durch Vorsicht: Während sich die ÖVP immer noch, wenn auch bereits etwas zögerlich, hinter den Präsidenten stellt, forderte der Zentralsekretär der SPÖ Keller aus „Zweckmäßigkeitsgründen“ nicht offen den Rücktritt Waldheims. Auf Fragen, ob es denn zu einer Regierungskrise gekommen sei, entgegnete er, es gebe keine Krise der Regierung, sondern eine des Bundespräsidenten. Ebenso wie die Grünen forderte - etwas verspätet - am Dienstag auch der Vorsitzende der rechtsnationalen FPÖ Haider den Rücktritt Waldheims. Das US–Außenministerium teilte inzwischen mit, daß Waldheim weiter auf der Watch–List stehen und damit zu den unerwünschten Personen gehören wird. Neal Sher vom US–Justizministerium erklärte unterdessen, Waldheim wäre aufgrund des Kommissionsberichts möglicherweise vor einem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal verurteilt worden. Zurückhaltend war hingegen der Tenor in Israel, wo der ehemalige Botschafter in Österreich, Elitzur, erklärte, zu viel Druck auf Österreich könne die gegenteilige Wirkung erzeugen. Aus der UdSSR verlautete: „Was unsere Beziehungen zu Österreich und zum Bundespräsidenten betrifft, so betrachten wir Kurt Waldheim als den Bundespräsidenten Österreichs“.

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