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Der Sonne entgegen

1985 gab es noch Wolken. Weiße Wölkchen im blauen Himmel, ein Filmstreifen als Himmelsleiter. Oben, am Bildrand, schwebt ein Pärchen davon, die Köpfe sieht man nicht mehr. Und die schwebende Dame verliert gerade ihren Stöckelschuh. Das hat sie davon, daß sie abhebt. Das 85er Plakat spielte noch, und man konnte sich eine Geschichte dazu ausdenken.

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Himmelwärts geht es 1988 zwar immer noch, aber die Farbe ist jetzt orange. Verloren auf der weiten Fläche verloren ein paar Figuren, schlendernde, tanzende, gebeugte. Gemeinsam ist ihnen bloß die Richtung, der Sonne entgegen.

Aber die sieht man nicht, sie ist vom schrarzem Filmstreifen in der Bildmitte verdeckt, einem riesigen schwarzen Block, der sich nach oben ins Licht, ins Nichts auflöst. Er macht die Spazierenden zu winzigen Menschlein, wie in einer gotischen Kirche. Sie können bloß hingehen, aufblicken, huldigen. Oder versuchen wegzusehen. Die schrägen bunten Farbstreifen in der oberen Bildmitte ändern daran auch nichts. Schon im letzten Jahr zierten sie das Werbeplakat: Sie verweisen wohl auf die Digitalisierung der Filmbilder, mehr aber auch nicht.

Das Bild macht Reklame für die Filmfestspiele. Wenn die Berlinale-Macher ihre Filme auch nur ansatzweise für so anbetungswürdig halten wie das lichtumflutete schwarze Götzenbild auf dem Plakat, dann Gute Nacht. Wir träumen derweil lieber von Himmelblau und Stöckelschuh. chp

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