Höchststrafe im Action Directe-Prozeß

Sechs der 19 mutmaßlichen Mitglieder von AD zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt / Weitere Haftstrafen verhängt / Angeklagte im Rollstuhl vorgeführt  ■ Aus Paris Georg Blume

„Action Directe ist eine Organisation, die das Verbrechen geplant hat.“ Richter Ducos hebt die Stimme: „Deshalb gilt es, ohne Komplexe harte Strafen zu sprechen.“ Punkt 16 Uhr am Freitag verliest Ducos, Vorsitzender der 14. Strafkammer im Pariser Justizpalast, das Urteil im Prozeß gegen 19 mutmaßliche Mitglieder der französischen Untergrundorganisation Action Directe: Zehn Jahre Haft, die Höchststrafe wegen „Zugehörigkeit zu einer kri minellen Vereinigung“ für die sechs Hauptangeklagten Rouillan, Menigon, Aubron, Cipriani, Schleicher und Claude Halfen. „Es handelt sich um eine schwere Entscheidung, die alle bisherige Rechtssprechung übergeht“, erklärt später ein Anwalt der Angeklagten.

Noch nie hatte bisher ein französisches Gericht in einer solchen Anklage Recht gesprochen. Erstaunen erregten die Haftstrafen von fünf bis acht Jahren für jene Angeklagten, bei denen die Beweise für eine Mitgliedschaft bei „Action Directe“ sehr dürftig ausfielen. So zum Beispiel im Fall der Angeklagten Bruno Baudrillart und Annelyse Benoit, denen die Mitarbeit an der linksradikalen Zeitschrift Internationale und die „Ermutigung zu terroristischen Aktivitäten“ zur Last gelegt wurde. Letzteren Vorwurf gab das Gericht auf, weil die Zeugen der Staatsanwaltschaft erklärten, während des Untersuchungsverfahrens nur unter dem Druck der Polizei ausgesagt zu haben.

Dennoch lautet das Urteil gegen Baudrillart und Benoit, unter anderem mit der Begründung, „Action Directe“ eine Medienstruktur zur Verfügung gestellt zu haben, auf fünf Jahre Freiheitsentzug. Wen diese Härte des Gerichts noch immer nicht erstaunte, wurde trotzdem überrascht: Entgegen den ersten Ankündigungen ihres Anwalts erschienen die vier, seit 74 Tagen im Hungerstreik befindlichen Hauptangeklagten Rouillan, Menigon, Aubron und Cipriani am Freitag vor Gericht. Ihr Anblick erschreckte die Anwesenden. Anders als am ersten Prozeßtag, als sie auf ihre Bänke geprügelt wurden, mühten sich die Polizisten diesmal vorsichtig, die durch ihren mittlerweile zweimonatigen Hungerstreik völlig entkräfteten Angeklagten an ihre Plätze zu tragen.

Rouillan verlor nach Angaben seines Anwalts bis heute fast die Hälfte seines Gewichts. Ursprünglich wog er 65 kg, jetzt noch 37 kg. Bereits am Donnerstag erklärte Anwalt Bernard Ripert, daß man zumindest im Fall Nathalie Menigons bereits in dieser Woche mit der Zwangsernährung begonnen habe. Die außergewöhnliche Länge des Hungerstreiks begründete Ripert mit der Tatsache, daß seine Klienten zur Zeit des Gerichtsverfahrens Vitamine zum Erhalt der Geistesgegenwart genommen hätten. Dies hätte den Schwächungsprozeß der Angeklagten verzögert.

Neben den erwähnten Urteilen verkündete die 14. Pariser Strafkammer auch drei Freisprüche. Die „Kronzeugin“ der Anklage, Frederique Germain, ehemalige Freundin Nicolas Halfen, wurde vom Gericht für ihren „Mut“ gelobt. Sie hatte teilweise Anschuldigungen gegen Mitglieder von „Action Directe“ ausgesprochen, die sich später nicht bewahrheiteten.