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Wenn Heckenschützen Politik machen

Die NRW-Grünen haben eine parteiinterne Meinungsumfrage aus Angst vor realpolitischen Träumen gestoppt / Fragebögen liegen im Tresor / Vorwürfe gegen Landesvorstand wegen dubiosen Finanzgebahrens / Fundis verlangen Rücktritt  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die nordrhein-westfälischen Grünen werden bei der am kommenden Wochenende stattfindenen Landesdelegiertenkonferenz die vom Landeshauptausschuß LHA) gestoppte parteiinterne Meinungsumfrage möglicherweise doch noch per Beschluß zur Auswertung bringen. In den letzten Tagen hat sich in der Landesgeschäftsstelle die brüskierte Basis vehement zu Wort gemeldet und Initiativanträge für den Landesparteitag angekündigt. Auch Bundestagsaabgeordnete wie Trude Unruh und Otto Schily verlangten eine Auswertung der in einem Safe sichergestellten Fragebögen.

Der Landeshauptausschuß hatte am 10.Januar mit Mehrheit beschlossen, die parteiinterne Meinungsumfrage zu stoppen und die ausgefüllten Fragebögen „nicht auszuwerten“. Der LHA- Mehrheit paßten weder die Fragen noch die Frager. Vom Landesvorstand war das Gutachten an das Bochumer Institut „Ökologische und soziale Studien e.V.“ vergeben worden, in dem realpolitisch orientierte Grüne das Sagen ha ben. Etwa 10 Prozent der Mitglieder in NRW – nach dem Zufallsprinzip ausgesucht – wurden befragt. Insgesamt sind weit über die Hälfte der über 800 verschickten Fragebögen zurückgekommen.

Geht es nach dem Willen des LHA, war all die Mühe umsonst. Kein Wunder, daß sich jene, die geantwortet haben, verarscht fühlen.

Auf zwei verschiedenen Wegen haben die Fundis Stimmung gegen die Befragungsaktion gemacht. In einem internen Papier, verfaßt von der ehemaligen Landesgeschäftsführerin Ingrid Liedtke, der Ex-Vorstandsfrau Gisela Lommer und dem Mitglied der Haushaltskommission Jörg-Ingo Krause, war das Gutachten – Kostenpunkt 19.000 DM – als „völlig überteuert“ kritisiert und zwischen den Zeilen der Vorwurf der Vetternwirtschaft erhoben worden.

Sowohl der Landesvorstand als auch die Institutsleitung haben gegen die „falschen Darstellungen und haltlosen Unterstellungen“ inzwischen juristische Schritte eingeleitet. Dem Verschwendungsvorwurf folgte die Metho denkritik, die der Öko-Sozialist Klaus Riepe in der grünen Mitgliederzeitung formulierte. Riepe wettert zum Beispiel dagegen, daß die „Frage nach Bündnispräferenzen rein formal gestellt wird, ohne die Problematik der durchsetzbaren grünen Forderungen auch nur anzusprechen“. Riepe hält die grünen Mitglieder schlicht für politisch zu unreif, um die Frage – „Sollen die Grünen bei Wahlen rechnerische Mehrheiten mit der SPD anstreben und sich Koalitionen mit der SPD offenhalten?“ – überhaupt beantworten zu können. Damit werde keine innergrüne Meinung erfragt, sondern, so Riepe, nur „genehme Daten produziert“. Die ganze Befragungsaktion ist für ihn „politisch gesehen ein unfairer und vor allem unproduktiver Schachzug im Strömungsstreit“.

Jetzt hat sich auch Verena Krieger, MdB und Ökosozialistin, erneut zu Wort gemeldet. Gegenüber dpa verlangte sie „reinen Tisch angesichts von Schlamperei und Vetternwirtschaft bei den nordrheinwestfälischen Grünen“. Als „Mindestvoraussetzung, um den Laden zu konsoli dieren“ sei der Rücktritt des gesamten Landesvorstands angesagt. Bei ihrem Rundumschlag unterstellte die grüne Parlamentarierin schlicht als wahr, was höchst umstritten ist. Wahrscheinlich werden sich noch in dieser Woche die Gerichte mit den Vorwürfen beschäftigen, die von Liedtke, Lommer und Krause erhoben wurden. Die drei hatten dem Landesvorstand unter anderem auch die „katastrophale Buchhaltung“ in der Landesgeschäftsstelle vorgehalten und behauptet, der Vorstand habe „über zwei Jahre lang nichts unternommen“, um eine Tilgung der „an Vorstandsmitglieder und Beschäftigte gezahlten Kredite (Vorschüsse in einer Größenordnung von ca. 50.000 DM) zu erreichen“.

Diese Behauptung, so konterten die Angegriffenen, entbehre „jeglicher Tatsachen“ und sei „nichts weiter als eine rufschädigende Äußerung“. Die drei Verfasser räumten zwar inzwischen ein, daß manche Formulierung in ihrem Papier „sehr pointiert“ ausgefallen sei, aber zur Unterzeichnung der geforderten Unterlassungserklärung seien sie „nicht bereit“. Bleiben sie dabei, wird es noch am Freitag in Düsseldorf, wenige Stunden vor Beginn der Landesdelegiertenkonferenz, zum Gerichtstermin kommen. Daß es „Defizite in der Buchhaltung“ gegeben hat, räumt auch der Landesvorstand ein. Es habe „nicht nur Mängel, sondern handfeste Fehler“ gegeben, schreibt die ehemalige Landesschatzmeisterin Cordula Günther. Der Buchhalter ist inzwischen entlassen worden. Ein Steuerberatungsbüro habe die Prüfung übernommen und die Fehler „bereinigt“. Mit persönlicher Bereicherung oder Vetternwirtschaft hätten die „Fehler“ allerdings nicht das geringste zu tun. Inzwischen hat der Vorstand der Einsetzung einer parteiinternen Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des allseits als seriös bezeichneten Fraktionsgeschäftsführers Michael Vesper zugestimmt.

Anders, so Vorstandsmitglieder zur taz, sei der „böswillig gesteuerten Gerüchteküche“ nicht mehr zu begegnen. Am Wochenende läuft die Amtszeit für fünf der sechs noch amtierenden Vorstandsmitglieder aus.

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