: Plutonium im Kofferraum
■ Transnuklear transportierte Plutonium im PKW / Der Verantwortliche wurde Leiter der IAEO-Atomkontrolle
Die Hanauer Atomfirma Transnuklear (TN) hat mehr als vier Kilogramm Plutonium in einem normalen PKW aus der Wiederaufarbeitungsanlage Eurochemic im belgischen Mol ins Kernforschungszentrum Karlsruhe transportiert. Der Transfer über die Autobahn, der ohne Polizeibegleitung oder sonstige Sicherungsmaßnahmen abgewickelt wurde, fand im Sommer 1967 statt und wurde jetzt im Zuge der Recherchen um den Hanauer Atomskandal bekannt.
Die Schweizer Zeitschrift nux berichtet in ihrer neuesten Ausgabe unter Berufung auf einen ehemaligen Mitarbeiter der Eurochemic über diesen „nonchalanten“ Transport. Leiter der Wiederaufarbeitungsfabrik und damit verantwortlich für die heiße Fracht war damals Rudolphe Rometsch. Der Schweizer Physiker und Chemiker wurde wenig später Chef der Hauptabteilung Spaltstoffkontrolle der Internationalen Atomkontrollbehörde IAEO in Wien. 1978 verließ Rometsch die IAEO. Heute ist er Präsident der Schweizer Atommüll-Gesellschaft Nagra. Er leitete vor zwei Jahren die Nach-Tschernobyl-Konferenz der IAEO.
Man schrieb den 28.August 1967, als der Citroen ID-19 mit dem deutschen Kennzeichen OF-LE 266 vom Gelände der WAA Eurochemic in Richtung Westen startete. Eigentümer der schicken Limousine war nach Informationen der taz der langjährige TN-Geschäftsführer Baaz. Baaz verließ die TN 1975. Er ist heute Geschäftsführer des Essener TN-Konkurrenzunternehmens Gesellschaft für Nuklearservice (GNS). Im Fond seines Wagens, über dem Benzintank, befanden sich drei käfigartige Gerüste, in deren Zentrum je ein zylindrischer Stahlbehälter fixiert war:
Die drei sogenannten „Bird Cages“ (Vogelkäfige) enthielten insgesamt 4.022 Gramm Plutonium, genug für eine kleine Atombombe und genug, um die gesamte Bevölkerung Europas zu vergiften.
Der Niederländer Ger Paulus, der den Plutonium-Transport im Kofferraum erstmals öffentlich machte, war als Schicht-Vorar beiter verantwortlich für den Transfer der Plutonium-Container aus dem Magazin der Eurochemic in den Transnuklear-Citroen. Paulus, sieben Jahre Mitarbeiter der Eurochemic und inzwischen zum Atomkraftgegner konvertiert, wunderte sich über die dubiosen Umstände des Transports. „Es gab keine Polizeibegleitung nach Deutschland, obwohl sie eigentlich üblich war“, schrieb der Niederländer an den nux-Redakteur Konradin Kreuzer.
Ebenfalls „entgegen aller Gewohnheit“ sei während des Verlade-Vorgangs ein Direktionsmitglied der Eurochemic namens Detilleux anwesend gewesen. „Die Vogelkäfige hätten einem Zusammenstoß kaum widerstanden oder nach einem Verkehrsunfall in Brand geraten können“, empört sich Paulus. „Niemand am Unfallort hätte über die katastrophenträchtige Ladung Bescheid gewußt“.
Die Eurochemic hat den Transfer im Citroen vor Jahren bestätigt, ohne daß dies in der Bundesrepublik publik wurde. NUKEM- und TN-Sprecher Jörg Pompetzki erklärte gestern gegenüber der taz: „Unsere Akten werden nach 10 Jahren vernichtet. Zu dem Vorgang gibt es keine Unterlagen mehr“. Rosenkranz/Kriener
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