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Feine Strategen

■ Ausstieg auf sozialdemokratisch

Was Friedhelm Farthmann da als neue SPD-Ausstiegsstrategie zu verkaufen sucht, ist kein Weg zum allmählichen Abbau der Atomenergie, sondern eine Zumutung. Für wie dumm hält Farthmann eigentlich die Öffentlichkeit – ganz egal, ob atomkritisch oder nicht –, wenn er ihr als Neuigkeit präsentiert, was spätestens seit den Nürnberger Ausstiegsbeschlüssen der SPD vom Herbst 1986 selbstverständlich hätte sein müssen: daß die SPD-Kommunalpolitiker sich darüber ins Benehmen setzen, ob und wie diese Beschlüsse umzusetzen sind.

Und nun tun sie so, als wenn sie tatsächlich den Ausstieg betreiben wollten! Aber dort, wo sie wollen, bei den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken, können sie nicht, weil sie (mancher der sozialdemokratischen Mandatsträger wird im Hinterkopf denken: Gott sei Dank) keine Mehrheit haben. Und dort, wo sie könnten, bei den Vereinigten Elektrizitätswerken, wollen sie offenbar nicht. Denn da steht das Prestige- Spielzeug der SPD-Landesregierung auf dem Spiel, der Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrup. Feine Ausstiegsstrategen, diese SPD-Kommunalpolitiker!

Und wie sie aussteigen wollen: nur ja nicht die Rendite der Stromgiganten auch nur ankratzen. Schließlich haben die ja jahrzehntelang alle ihre Ressourcen (und die staatlichen dazu) in den Atomstrom gebuttert. Da kann allzu schnelles Umdirigieren verhängnisvolle Folgen haben für das „Wohl des Unternehmens“, dem sie ja laut Aktiengesetz verpflichtet sind. Und deshalb müssen auch die Abschreibungsfristen der strahlenden Meiler ungeachtet aller gesellschaftlichen Verantwortbarkeit bis zum letzten Tag abgewartet werden, bevor stillgelegt werden kann. Das Ganze nennt sich dann „Ausstieg so schnell wie möglich“ – auf sozialdemokratisch. Martin Kempe

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