: Ein Dorf wehrt sich gegen Uranfabrik
Hohe Leukämierate rund um Urananlage Ellweiler / Landrat fordert epidemiologische Untersuchung ■ Von Felix Kurz
Birkenfeld / Ellweiler (taz) – Angesichts mehrerer Leukämie- Erkrankungen bei Kindern in der Umgebung der Urananlage Ellweiler im Steinautal hält der Landrat des Landkreises Birkenfeld, Ernst Theilen, eine epidemiologische Untersuchung für „erforderlich“. Theilen bestätigte auch die auffallend hohe Anzahl von Leukämie-Fällen bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren in seinem Landkreis. Zwei Jugendliche starben bereits an der heimtückischen Krankheit. Am Rande der ersten Demonstration gegen die Urananlage und die benachbarte Landessammelstelle für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sagte Ernst Theilen gegenüber Journalisten, er halte die Besorgnis bei den Anwohnern der umliegenden Gemeinden für „verständlich“. Sollte von dem Atombetrieb eine Gesundheitsgefährdung ausgehen, werde er sich „mit Nachdruck für eine Schließung des Betriebes einsetzen“. Eine sofortige Schließung der Urananlage halte er jedoch für „überzogen, da noch nichts bewiesen“ sei. In der Urananlage Ellweiler, die einzige ihrer Art in der Bundesrepublik, wird aus Uranerz Uranoxid gewonnen. Der Abraum, sogenannte „tailings“, wurde bis in die achtziger Jahre unter freiem Himmel ohne jegliche Abdeckung nach unten und oben gelagert.
In diesen „tailings“ befinden sich hochgiftige radioaktive Zerfallsprodukte, unter anderem Radon und Radium 226. Radon erzeugt Lungenkrebs, Radium 226 kann zu Leukämie führen. Seit Jahrzehnten gaste in Ellweiler Radon aus. Erst in den letzten Jahren wurde der Abraum mit Erdreich provisorisch abgedeckt.
Gegen radioaktive Sickerwässer besteht nach wie vor kein Schutz. Radionuklide können so möglicherweise in den Steinaubach und ins Grundwasser gelangen. Nur wenige Kilometer unterhalb des Atombetriebes wird aus der Nahe, in die der Steinaubach fließt, das Trinkwasser für die umliegenden Gemeinden gewonnen. Schon 1980 hatte der Arbeitskreis Strahlenschutz aus Göttingen eine die normalen Werte um das 1400fache übersteigende radio- aktive Belastung des Steinaubaches gemessen.
An der Demonstration nahmen zwischen 700 und eintausend Menschen teil. Sie kamen vorwiegend aus den Umlandgemeinden.
Gabi Werner aus Gimbweiler, Mutter eines viereinhalbjährigen, leukämiekranken Jungen, forderte wie die anderen Redner die sofortige Schließung der Atombetriebe im Steinautal. „Gegen Aids kann man sich schützen, hier muß man sich wehren“, sagte die 33jährige Frau, denn „der Krebs macht vor niemand Halt“. Sie forderte die Bürger auf, „solch risikoreiche Anlagen“ nicht mehr zu dulden. Ihnen solle es eben nicht so gehen, daß man „erst nach 30 Jahren die volle Wahrheit“ erfahre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen