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Im Spekulationssumpf des §129a

Beschwerde beim Bundesgerichtshof gegen die Fortsetzung der Untersuchungs- und Isolationshaft gegen Ulla Penselin eingelegt / Anwalt: Haftbefehl in Sachen Paragraph 129a basiert ausschließlich auf Spekulationen  ■ Aus Hamburg Kai von Appen

Der Hamburger Rechtsanwalt Hartmut Jacobi hat beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen die Fortdauer der Untersuchungs- und Isolationshaft gegen Ulla Penselin Beschwerde eingelegt. Die 27jährige Setzerin war am 18.Dezember letzten Jahres im Rahmen von bundesweiten Razzien des Bundeskriminalamtes gegen Gentechnologie-KritikerInnen in Hamburg wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ (§129a) verhaftet worden. Nachdem beim letzten Haftprüfungstermin die Haftentlassung abgelehnt wurde, muß sich nun der gesamte 3.Senat des BGH mit dem §129a-Komplex befassen.

In seinem Schriftsatz an das Karlsruher Gericht rügt der Anwalt, daß der Haftbefehl ausschließlich auf Spekulationen basiert. Jacobi: „Die Vorwürfe gegen Ulla stützen sich im wesentlichen nicht auf einen konkreten Tatverdacht, sondern geben nur Vermutungen wieder.“ So hatten die Fahnder der Bundesanwaltschaft (BAW) vorgetragen, daß Ulla Penselin an zwei „konspirativen Treffen“ von Frauen teilgenommen habe. Aus der Tatsache, daß das eine der Treffen in Telgte in einer Ferienwohnung stattfand, die von einer nicht anwesenden Person angemietet worden war, vermag der Jurist nichts Geheimnisvolles abzuleiten.

Auch an dem als „hochkonspirativ“ eingestuften Meeting von viereinhalb Stunden in einem Osnabrücker Cafe, „zu dem sich meine Mandantin selbst nach Auffassung des Bundeskriminalamtes ganz normal hin bewegte,“ kann der Jurist nichts Ungewöhnliches erkennen. Als Tatsache bleibe da her nur, daß Ulla Penselin bei zwei Treffen anwesend war,an denen auch Personen teilgenommen hätten, die von der BAW verdächtigt werden, möglicherweise elektrische Bauteile gekauft zu haben, welche wiederum bei den Anschlägen der „Roten Zora“ auf die Adler-Werke Verwendung gefunden haben könnten. Jacobis Fazit: „Das Ganze ist nur noch als „Kontaktschuld zu titulieren.“

Wann der BGH über die Beschwerde entscheidet, ist noch unklar. Zu den Erfolgsaussichten äußert sich Jacobi nur gedämpft optimistisch. „Ausschlaggebend ist, ob die Entscheidung selbst politische Hintergründe hat. Wenn es alleine auf den juristischen Tatbestand ankäme, müßte Ulla sofort freigelassen werden.“

Das Problem sei, so der Anwalt weiter, daß am BGH bei 129a- Verfahren eine „gewisse Ohnmacht zutage tritt, sich den Fahndungsbehörden zu widersetzen“. Dies äußere sich auch in den jüngsten Beschlagnahmebeschlüssen von Ulla Penselins Post.

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