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Jochimsen brütet faules Ei aus

Der Schnelle Brüter in Kalkar soll mit kleinem Reaktor-Kern doch ans Netz / „Vernichtung“ von Plutonium vorgeschlagen / Vorstoß des Brüter-Vaters Häfele findet Gefallen / Brüter-Kritiker: „Schwachsinn hoch zehn“  ■ Von Gerd Rosenkranz

Der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Reimut Jochimsen (SPD), will den Schnellen Brüter in Kalkar möglicherweise doch in Betrieb gehen lassen. Der für die Genehmigung des Reaktors zuständige Minister bezeichnete Überlegungen des „Brüter-Vaters“ Wolf Häfele, die darauf hinauslaufen, den Reaktor mit einer geringeren Leistung als ursprünglich vorgesehen und ohne den sogenannten Brutmantel zu betreiben, als „interessant“. Damit würde der mit Plutonium- Uran-Mischoxid beschickte Reaktor seine Funktion als Brüter vollständig verlieren und ähnlich wie ein normaler Leichtwasserreaktor abgebrannte Brennelemente als hochaktiven Atommüll hinterlassen.

Jochimsen, der in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich betont hatte, der Brüter könne aufgrund gravierender Sicherheitsmängel auf absehbare Zeit nicht in Betrieb gehen, erklärte nun vor Journalisten: „Wir müssen heraus aus der Alles-oder-Nichts-Mentalität. Wir müssen alle technische und politische Kreativität mobilisieren, um zu prüfen, ob aus diesen in Kalkar verbauten sieben Milliarden Mark noch ein Nutzen zu ziehen ist“. Ausdrücklich verwies der Minister auf den von Häfele in einer US-amerikanischen Zeitschrift vorgebrachten Vorschlag, den Reaktorkern in Kalkar stark zu verkleinern und das Atomkraftwerk dann als „Schnellen Reaktor ohne Brüten“ in Betrieb zu nehmen. Jochimsen hält es auch für denkbar, in Kalkar lediglich den Natrium-Kreislauf ohne nuklearen Betrieb und ohne die Belastungen eines solchen Betriebs für die Umwelt zu erproben.

Wolf Häfele, heute Chef der Kernforschungsanlage Jülich, bezeichnet in seinem kurz nach Tschernobyl verfaßten Beitrag „die Möglichkeit der Vernichtung verhältnismäßig großer Plutoniummengen“ als „positiven Nebeneffekt“ eines Schnellen Reaktors ohne Bruteffekt. Damit feiert nach zehn Jahren eine Idee fröhliche Urständ, die damals der nordrhein-westfälische FDP-Minister Riemer in die Diskussion gebracht hatte. Der Atomkritiker Klaus Traube erklärte gegenüber der taz, er verstehe den Jochimsen- Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt „überhaupt nicht mehr“. Die „Plutonium-Vernichtungsmaschine“ bezeichnete er als „reine Rhetorik“. Es gebe keinen Reaktor, in dem kein neues Plutonium entstehe. Man könne auch in einem Brüter nicht mehr Plutonium vernichten als in einem Leichtwasserreaktor, der mit Ur an-Plutonium-Mischoxid betrieben werde. Jochimsen versuche offenbar „aus Angst vor einer Weisung aus Bonn“, den Leuten „Sand in die Augen zu streuen“. „Wenn beim Brüter ein besonderes Sicherheitsrisiko existiert, dann ändert sich daran auch nichts durch einen anderen Reaktorkern“, sagte Traube.

Der Bremer Physiker und renommierte Brüter-Kritiker Richard Donderer nannte den Häfele/Jochimsen-Vorschlag „Schwachsinn hoch zehn“. Es gehe offenbar darum, den Reaktor in Kalkar „irgendwie ans Netz zu bringen“. Nach einer Erstbeschickung mit dem nicht-brütenden Kern könne später der gegen wärtig vorgesehene Reaktorkern eingesetzt werden.

Der Sprecher im Jochimsen- Ministerium, Ewald Schulte, bezeichnete es als „pikant“, daß ausgerechnet der Brüter-Vater Häfele mit derartigen Überlegungen aufwarte. Dem Bonner Forschungsminister Riesenhuber warf Schulte Kompromißlosigkeit vor. Dort weigere man sich, „selbst das Häfele-Modell zu diskutieren“, obwohl es auch in Bonn bekannt sei.

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