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Franklin D. und Clark K.

■ Ein Präsident, ein Super-Mann

Franklin Delano Roosevelt (1882-1945) entstammte einer Besitzbürgerfamilie, Superman (1938-?) kam vom Planeten Krypton, den er noch kurz vor dem Big Bang per Rakete verlassen konnte. Roosevelt, vierfacher US-Präsident (1932, 36, 40, 44); erkrankte 37jährig an Kinderlähmung und verbrachte seine letzten 24 Lebensjahre im Rollstuhl. Elf Jahre nach der Erkrankung wurde er erstmals Präsident. Supermans vergleichsweise banales Privathandicap: In seiner Tarn-Identität als „Reporter Clark Kent“ hat der muskulöse, abgepanzerte Durchschnittsamerikaner täglich mit unausgelebter Erotik, mangelnder Durchsetzungskraft im Redaktionsalltag, chronischer Begriffsstutzigkeit zu kämpfen. Seine Rache an den beengenden Verhältnissen leitet sich durch blitzschnelle Verkleidung ein, wenn nötig wird das Troubleshooter-Kostüm auch in Telefonzellen oder Fahrstühlen unter dem Biedermannsanzug vorgepellt. Seine Duckmäuserei kompensiert er, indem er sich blindlings auf die Seite der „Guten“ schlägt: Die Banken verteidigt er gegen ihre Ausplünderer, geheime Forschungszentren gegen miese Welteroberungsteufel, die weißen (und daher unschuldig-reinen) amerikanischen Mittelstandsfrauen gegen asoziale Schänder. Wo immer es brennt: Er kommt und rettet, ohne genau zu wissen warum.

Franklin Roosevelt, nicht alter ego, sondern Gegenspieler des Super-Manns, entwickelte ab 1932 seine staatsinterventionistische Sozialpolitik des „New Deal“. Sein Mitarbeiterstab aus überwiegend „progressiven Intellektuellen“ steht schon aufgrund bloßen Intelligenzverdachts diametral gegen den reaktionären Supermoraldeppen. Vielleicht brauchten die beiden Oberschüler Jerry Siegel und Joe Shuster, die den all american hero schon 1933 erfanden, deshalb vier Jahre, um für ihre Comic-Idee einen Verlag zu finden. Ein weiteres Jahr verging, bis der Held endlich Premiere hatte. Jetzt, da die Präsidentschaft des anderen reaktionären Moraldeppen bald zu Ende geht, wird der inzwischen 50jährige Überflieger von seinem Arbeitgeber „DC-Comics“ mit großen Festlichkeiten geehrt. Lautsprecherparole zur Eröffnung der Geburtstagsparty am vergangenen Freitag in New York: Ich kam aus einer Welt, die es nicht mehr gibt. Die Menschen nennen mich Superman.Klaus Nothnagel

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