Entwurf für ein Gen–Gesetz

Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth hat dem Kabinett empfohlen, ein einheitliches Gesetz über Gentechnik zu schaffen. Das Gesetz soll die Zulassung von Genlaboratorien in Wissenschaft und Industrie sowie die Freisetzung der im Labor genetisch veränderten Organismen regeln. Von Genanalyse und Gentherapie läßt die Gesundheitsministerin ihre Finger. Dies gehöre zum Bereich der ärztlichen Berufsausübungen und nicht in die Kompetenz des Bundes. Süssmuth geht es dabei hauptsächlich um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft und um die „Akzeptanz der Gentechnik in der Öffentlichkeit“. So lehnt sie die Eingliederung in das Seuchengesetz, wie es die Enquete–Kommission geraten hatte, in ihrem 20 Seiten dünnen vertraulichen Kabinettsbericht ab. Die Nähe der Gentechnik zu „emotional stark belasteten Themen wie zum Beispiel Aids“ sei dann kaum vermeidbar - das schade der Akzeptanz. Damit entspricht die Gesundheitsministerin den Wünschen der Gen–Industrie: Der Hoechst–Vertreter Waitz hatte nämlich unlängst die Landtagsabgeordnete Irene Soltwedel getadelt, weil die hessischen Grünen ihr Gen–Gesetz für Hessen an das „emotional stark belastete Naturschutzgesetz“ anbinden wollen. Die Öffentlichkeit soll bei den gesetzlichen Regelungen der Gentechnik nach dem Willen Süssmuths kaum eine Rolle spielen. Nur die grundlegenden Prinzipien sollen festgeschrieben werden - „durch Generalklauseln und mit unbestimmten Rechtsbegriffen“. Alles weitere will man in Bonn der Verwaltung überlassen. Angst macht der Ministerin die internationale Konkurrenz. Deshalb kann sie es auch nicht zulassen, daß die Sicherheitskontrolle der gentechnischen Forschung und Produktion den Bundesländern überlassen wird: „Wissenschaft und Industrie wünschen den zentralen Vollzug durch den Bund.“ Große Bedeutung bekommen dafür die Experten der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS). Sie müssen nach dem Entwurf vom Bundesgesundheitsamt (BGA), das Genehmigungen nach dem Gen–Gesetz erteilen soll, gehört werden. Auch wenn keiner der Herren in diesem Gremium als Ökologe ausgewiesen ist, reicht ihr Sachverstand der Ministerin offenbar aus. Ökologische Bedenken werden in dem Bericht für das Kabinett kaum berücksichtigt, er ergeht sich in dem Allgemeinsatz: „Auch soweit Gefahren primär auf die Umwelt gerichtet sind, können sie mittelbar die menschliche Gesundheit bedrohen.“ Fazit der Risiko–Betrachtungen: Es „bleibt aber ein letztlich nicht abschätzbares biologisches Restrisiko auch dann, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gebotenen Vorsichtsmaßregeln beachtet werden.“ Noch bevor ihre EG–Präsidentschaft Mitte des Jahres abläuft, will die Bundesregierung außerdem Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft für die Freisetzung verabschieden lassen. Der Entwurf der Brüsseler Kommission beschränkt sich allerdings vor allem auf die Regelung des Zulassungsverfahren für die Experimente. Danach muß sich ein Antragsteller an die zuständige Behörde sines Landes - in der Bundesrepublik das BGA - wenden. Dies muß dem Antragsteller dann binnen 90 Tagen Bescheid geben. In dieser kurzen Zeit müssen die Behörden von zwölf Ländern also prüfen, welche Risiken mit der Freisetzung verbunden sind. Können die verschiedenen Länder sich über die Genehmigung nicht einigen, dann entscheidet verbindlich die EG–Kommission. Christian Sternberg