Katastrophale Informationspflicht

München (taz) - „In diesen Tagen ging einiges durcheinander“, mußte gestern Ministerialrat Heinz Joachim Hardt aus dem Bundesumweltministerium zugeben, als er vor dem Landgericht München I zur Informationspolitik der Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Auskunft geben mußte. Hardt wurde als Zeuge im inzwischen eineinhalbjährigen Prozeß der achtjährigen Franziska B. gegen die Regierung der BRD gehört. Grund: Der Münchner Anwalt Alexander Frey fordert für das Mädchen Schadensersatz für mögliche Schäden durch die radioaktive Belastung, da der Staat seine Informationspflicht verletzt hat. Obwohl am 30. April 86 bereits um null Uhr im bayerischen Regensburg und um 14.00 Uhr in München stark erhöhte radioaktive Werte gemessen wurden, ging diese Meldung erst gegen 21.00 im Lagezentrum des Bundes ein, bestätigte gestern Hardt. „Das ist für mich die erste Katastrophe“, so Frey. Bis zum zweiten Mai, an diesem Tag trafen sich die Mitglieder der Strahlenschutzkommission in Bonn, lag das Schicksal der BRD anscheinend in Hardts Händen. Ebenso ren stellte sich heraus, daß weder damals noch heute ein Alarmplan für derartige Fälle besteht. Am 23. März verkündet das Gericht seine Entscheidung. lui