: Aufrüstungskompromiß
■ Zum Zank in der NATO
Wie soll die NATO auf Gorbatschow reagieren? Seit offenkundig ist, daß sich die USA unter Reagan jahrelang wirtschaftlich und militärisch überhoben haben, wollen die US–Planer ihre militärischen Verpflichtungen in Europa verringern. Gleichzeitig soll die NATO aber die militärischen Eskapaden der alternden Supermacht in der Dritten Welt unterstützen. Dieser Prozeß der Anpassung an veränderte strategische und wirtschaftliche Gegebenheiten hinterläßt bei den europäischen Juniorpartnern Verwirrung - aber auch Hoffnung.Verwirrung, weil Reagan die Formulierung und Durchsetzung eines neuen Gesamtkonzepts blockiert. Er möchte diese schwierige Aufgabe seinem Nachfolger überlassen. Hoffnung, weil die Atomzwerge Frankreich und Großbritannien und die Möchtegern–Atommacht Bundesrepublik jetzt Morgenröte wittern. Doch der Traum von einer Großmacht Westeuropa scheint sich für einige Beteiligte eher zu einem Alptraum zu entwickeln. Der nukleare Rüstungswille in Frankreich und Großbritannien hat jedenfalls die Kohl–Regierung in einen unangenehmen Loyalitätskonflikt gestürzt - trotz der unerwarteten Parteinahme Mitterrands. Um einen offenen Bruch in der Allianz zu vermeiden, mutet Kohl der eigenen Bevölkerung eine neue „Nach“–Rüstung im Bereich der Atomwaffen zu , die vor allem deutsches Gebiet verwüsten würden, nur weil die beiden westeuropäischen Nuklearmächte befürchten, bei einer dritten Null–Lösung auch einen Teil ihrer Raketen opfern zu müssen. Für die groß angekündigte Erklärung zur Einheit der Allianz blieb bei diesen Interessenskonflikten schließlich nur die Entscheidung, konventionell weiter aufzurüsten. Denn die im gemeinsamen Kommunique formulierten Bedingungen schließen eine positive Antwort der Sowjetunion nahezu aus. Allerdings wurden damit bundesdeutsche Sorgen besänftigt, im nuklearen Schlagabtauch der Supermächte als Schlachtfeld zu dienen. Lediglich der Abrüstungsprozeß bleibt wieder einmal auf der Strecke. Michael Fischer
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